Interview

Was macht die Kunst, Lou Reed?

Als Sänger von Velvet Underground, der Hausband von Andy Warhol, hat Lou Reed auch die Kunstwelt geprägt. Monopol sprach mit dem Amerikaner, der als schwieriger Interviewpartner gilt, anlässlich der Veröffentlichung eines neuen Bildbandes. Über die Vergangenheit wollte Reed nicht reden. Am Ende ging es dann aber doch wieder um die Warhol-Banane, Billy Name und die Factory als Universität

Diese Rubrik heißt "Was macht die Kunst?", eine deutsche Redensart, die meint: Wie geht’s? Ein Interview mit ein bisschen Tiefe — wollen wir?
Nichts über Warhol, Velvet Underground, Drogen …

Gar nichts! Es geht um Ihre Fotografien.
(Lou Reed blättert im Monopol-Heft vom November 2012. Auf Seite 128 findet er Warhols „Self-Portrait with Fright Wig“.) Ah! Das hört doch niemals auf!

Der Artikel berichtet vom Ausverkauf der Andy Warhol Foundation.
Man kann Andy nicht entkommen. Denn alles, was er berührt hat, ist wahr geworden … (Er ist blätternd beim Bananencover von „The Velvet Underground & Nico“ auf den Seiten 76/77 angekommen.) Es hört niemals auf! Wir streiten uns vor Gericht mit denen über die Banane, über die Rechte.

Worum geht es?
Andy, sehen Sie, war immer ein Prinz. Aber die Foundation hat nichts von dessen Würde. Die wollen die Banane auf Kondome drucken, auf Biergläser …

Übel. Vielleicht auch auf Bananen?
Es ist ekelhaft, und wir versuchen, sie daran zu hindern.

Jemals vom deutschen Sprayer gehört, der Bananen auf Galeriefassaden sprüht?
Nein. Die Banane war ja auch nicht Andys Idee, sondern meine.

Was bedeutet das Symbol eigentlich?
Gar nichts. Aber wenn man es Warhol überließ, dann ging das so: Pelle mich, und darunter ist ein rosa Schwanz …

Aber darüber wollten wir nicht sprechen.
Ich bin ein stolzes Mitglied der Warhol-Truppe. Wir, die wir übrig sind, allesamt mit seinen Ideen. Das kommt doch alles irgendwoher. Wir waren die echten Gläubigen.

Wie das?
Wir waren Teil der Warhol-Universität.

Die Universität von Syracuse zählt nicht? Sie waren bereits ein reifer Autor, als Sie in New York aufkreuzten.
Nicht auf dem Niveau, wie ich es gerne hätte. „In Dreams Begin Responsibilities“, die Story meines Lehrers in Syracuse, Delmore Schwartz, hat mein Leben verändert. Oder: „Finnegans Wake“, von Delmore laut gelesen – für uns. Es wurde klar: Das ist brüllend komisch. Er hätte uns alle zu Joycianern gemacht. Was für ein unglaubliches Glück – erst Delmore und dann Warhol.

Können Sie sich an einen jungen Fotografen in der Factory erinnern, der Stephen Shore hieß?
Klar, der ist jetzt Fotografieprofessor! Er war immer da, hat fotografiert, und alle haben sich über ihn lustig gemacht: kein Glanz, sah nicht gut aus, war nicht Teil des Ganzen. Zu straight. Komisch, dass ich nie die Fotos gesehen habe, die er in der Factory gemacht hat – Sie?

Natürlich, ein ganzes Buch gibt’s darüber! "The Velvet Years". Wunderbar. Körniges Schwarz-Weiß mit silbernem Glitzern.
Billy Name – Billy Linich eigentlich – hat diesen Look erfunden. Wissen Sie, Andy verstand überhaupt nichts von fotografischer Technik. Billy Linich hat auf hohen Kontrast eingestellt, in Schwarz-Weiß, und es musste eine Sony-Kamera sein, nichts anderes. Zehn Jahre später habe ich mir auch so eine geholt, Spezialisten überredet, das Gerät zu hacken – damit die Bilder genauso aussehen wie in „Chelsea Girls“. Bis heute ist es die Sony.

Wir sprechen von einer 16-mm-Filmkamera?
Jetzt deren digitale Variante. Ich konnte es kaum glauben, dass es sie wieder gibt. Diese Leute können alles herstellen: Ufo-Kameras, Panorama, 3-D, und dann gibt es plötzlich dieses kleine Ding mit dem Knopf, den man nur drücken muss – und da ist er, dieser Look! Sie sprechen mit einem, der Kameras liebt.

Tut Ihnen das überhaupt nicht leid, dass die analogen Zeiten vorbei sind?
Bei Verstärkern mache ich nichts digital. Das sind nur Röhren. Chinesische Röhren, russische, das Problem ist nur, wo kriegt man sie her? Der echte Sound liegt in enormer Verstärkung, aber man wird taub dabei. Die Frage bleibt, wie man den Sound kriegt, runterdreht und seine Qualität dennoch bewahrt.

Ich habe Sie vor einigen Jahren mit Laurie Anderson gesehen, ein Konzert in Frankfurt. Wie haben Sie sich klanglich angenähert?
Sie war natürlich prädestiniert für digitale Sounds. Andererseits ist sie die Geigerin aus dem Jugendorchester geblieben. Viele haben das probiert, aber niemand schafft es, so monumental und sinfonisch zu klingen wie sie, obwohl sie solo spielt.

Wie steht es mit der Kooperation im Visuellen, reden Sie darüber?
Nein.

Sie macht keine kritischen Anmerkungen zu Ihren Fotos, im Sinne von "Das solltest du mal lieber lassen"?
Nein, nein, nein!

Niemals?
Niemals.

Lou Reed: "Rimes / Rhymes". Auf Französisch. Èditions Photosynthèses, 377 Seiten, ab 70 Euro