Blindenführung auf der Art Cologne

Wer nicht sehen kann, darf fühlen

Das Zauberwort heißt „Synästhesie“. Selbst ein gemaltes Bild spricht andere Empfindungen an als nur den Sehsinn, ganz zu schweigen von Skulpturen, die der Betrachter mit dem Blick betastet hat, bevor er das Werk (vielleicht) auch anfassen kann. Und weil die Sinne füreinander einspringen, interessieren sich eben auch Blinde für Bilder, wie auf der Art Cologne seit vier Jahren eindrucksvoll demonstriert wird.
 
Im Auftrag der AXA-Art-Versicherung finden dort Blindenführungen statt, die Sabine Krebber von der Kunstvermittlung Krebber + Schmidt organisiert und durchführt. „Die Arbeit beginnt schon im Vorfeld“, erklärt die Kunsthistorikerin. Ihre Gruppen setzen sich aus teils mehrfach behinderten Kunstinteressierten zusammen, mit denen man nicht einfach „kreuz und quer“ durch die Hallen laufen könne. Krebber entwickelt eine spezielle „Choreographie“, für die einstündige Führung und muss natürlich die Galeristen fragen, was in ihrer Koje möglich ist.
 
„Die Aussteller sind oft sehr kooperativ“, erzählt Sabine Krebber, „wir konnten schon Skulpturen von Richard Chamberlain, Nam June Paik oder Tony Cragg betasten. Bei Bronzen teilt die AXA weiße Handschuhe aus.“ Bei Papierarbeiten ist es schon schwieriger, eine Erlaubnis zu bekommen, „aber wenn man sachte über das Papier streicht, spürt man schon die feinen Strichlagen auf einem Bild etwa von Jorinde Voigt“, sagt Krebber. Blinde können eben doch „sehen“.
 
Doch vor allem den verfeinerten Umgang der Blinden und Sehbehinderten mit Sprache schätzt Sabine Krebber. Natürlich muss die Kunstvermittlerin selbst einiges an „Projekt- und Objektbeschreibung“ liefern – hinterher. Denn am Anfang jeder Kunstbetrachtung muss die sinnliche Erfahrung stehen. Einmal, so Krebber, habe man das Angebot der Galerie Boisserée nutzen können, ein Gemälde von Pierre Soulages zu erkunden: Pinselschwünge, die man mit den Händen „greifen“ konnte.
 
Mehr Informationen unter www.axa-art.de



"Die andere Kunsterfahrung - Blindenführungen auf der Art Cologne" ist Thema des Monopol-Talks am 22. April um 14 Uhr in der Monopol-Lounge, Halle 11.3, Stand A2. Zu Gast sind Stefan Horsthemke, Managing Director AXA Art Deutschland, Sabine Krebber, Geschäftsführerin Krebber + Schmidt Kunstvermittlung und Josef Esser, regelmäßiger Teilnehmer der Führungen.