Forschungsprojekt in Schwerin

Wie die DDR Privatleuten Kunst entzog

Salka Schallenberg, Enkelin des Malers Otto Nagel, will herausfinden, was aus den Bildern ihres Großvaters geworden ist. Ihre Familie habe mehr als 300 Werke von ihm an die DDR verloren, sagt sie. Es ist wohl kein Einzelfall

Nach Kriegsverlusten der Museen und NS-Raubkunst widmet sich die Forschung verstärkt dem Entzug von Kulturgütern aus Privatbesitz in der DDR. Im Staatlichen Museum Schwerin soll sich vom kommenden Jahr an ein Provenienzforscher mit den Vorgängen auf dem Gebiet des ehemaligen Bezirks Schwerin beschäftigen, wie die Direktorin der Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern, Pirko Zinnow, am Mittwochabend im Staatlichen Museum Schwerin ankündigte. Das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg sei mit 143 000 Euro ausgestattet und auf zwei Jahre angelegt, sagte sie.

Nach Worten von Museumsleiter Dirk Blübaum soll Grundlagenforschung geleistet werden. So müsse geklärt werden, wo überall Akten liegen, um konkreten Fällen nachgehen zu können. «Die Akten liegen verstreut, mehrere Ministerien, Räte des Kreises und des Bezirks, der Zoll waren beteiligt.» Bei Verdacht auf Kunstentzug gestalten sich die Recherchen oft schwierig, wie der Fall des Malers Otto Nagel (1894-1967) zeigt, dessen Bild «Briefträger» praktisch jedes DDR-Kind kannte. Seine Enkelin Salka Schallenberg berichtete in Schwerin, dass nach dem Tod von Nagels Witwe im Jahr 1983 der Staat den Nachlass von mehr als 300 Bildern an sich gebracht habe, indem er den Wert auf 1,6 Millionen DDR-Mark festgelegt, mit unbezahlbarer Erbschaftsteuer gedroht und als «Ersatz» schließlich die Bilder übernommen habe. Ihre Mutter habe nach der Wende um Rückgabe gekämpft, aber verloren.

Vor einiger Zeit habe sie begonnen, Spuren der damaligen Ereignisse zu suchen, berichtete Schallenberg. Sie durchforste alle möglichen zugänglichen Unterlagen aus DDR-Zeit, immer auf der Suche nach Begriffen wie Otto Nagel oder O. Nagel, um herauszufinden, was aus den Bildern geworden sei. An einer Restitution sei ihr nicht gelegen.

Dies ist nach geltender Rechtslage auch nicht möglich. Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste erklärte, es habe nach der Wende eine enge Frist bis 1993 für Anträge auf Rehabilitierung in diesem Bereich gegeben. Für viele Betroffene sei dies nicht einzuhalten gewesen - zum Teil weil es für sie zu früh war, sich dem Thema zu stellen, zum Teil auch, weil sie mangels Akten nicht beweisen konnten, dass ihnen Kulturgut unrechtmäßig entzogen worden war. Hier sollen Forschungsprojekte wie das in Schwerin helfen.

Es gebe viele zu klärende Themen, hieß es bei der Veranstaltung in Schwerin: Kulturgut, das DDR-Flüchtlinge zurücklassen mussten, oder auch Kunst und Antiquitäten, die privaten Sammlern in der DDR abgenommen wurden. Teils kamen solche Sachen in DDR-Museen, teils wurden sie über die Stasi-Firma Koko in den Westen verkauft. «Ich bin zuversichtlich, dass, je mehr Dokumente online zur Verfügung stehen und je intelligenter die Suchmaschinen werden, wir umso schneller vorankommen werden», sagte Hartmann.