Hochschulreport 2006

Wie lehrt man Kunst, Thomas Bayrle?

Thomas Bayrle, geboren 1937, war erst Weber, bevor er an der Werkkunstschule Offenbach studierte. Als deutscher Vorreiter der politisch motivierten Pop Art wurde er bekannt. Seine Verdienste als Lehrer sind sprichwörtlich. Von 1975 bis 2002 machte er an der Frankfurter Städelschule Künstler wie Peter Rösel, Sergej Jensen, Thomas Zipp oder Tobias Rehberger zu dem, was sie heute sind.

Warum wird man vom Künstler zum Lehrer? Wie lehrt man Kunst?
Ich denke, man ist selbst eine „Collage“ – aus vielem und vielen zusammengesetzt. Die Vorstellung von so eimem kollektiven Muster – in dem man selbst ein Modul ist – war bei mir immer da. Dementsprechend war es richtig, daß man andauernd lernt und weitergibt, daß man in einer Institution eine Wasserleitung repräsentiert, durch die das Leben, die Source fließt, von der man sich selbst ernährt – und dieman eventuell „fermentiert“ weiterfließen läßt. Na ja, ich finde es keinen großen Schritt, die Kommunikation mit einigen Künstlern, auf die ja man ohnehin angewiesen ist, etwas zu institutionalisieren und damit Lehrer zu sein.

Was haben Sie dagegen unternommen, daß Studenten zu Epigonen werden?
Dieser Fall ist praktisch nie in meiner Klasse aufgetreten. Ich habe mich immer gefragt, warum kopieren die mich nicht? Wenigstens mal einer? Und ich habe mir gedacht: Entweder ist es ihnen zu schwer, oder die finden mein Zeug unmöglich und schlecht. Daß mich keiner kopiert hat, hat mich also selbst verunsichert.

Gibt es eine Konkurrenzsituation zwischen Studentund Professor?

Die gibt es dann, wenn Studenten souverän an einem vorbeiziehen. Man ist dann auf sich zurückgeworfen – und sagt sich: Es gibt eben bessere als Dich! Und dann kann man es auch wieder vergessen.

Gibt es den Moment, an dem man weiß, daß der junge Künstler einen nun nicht mehr braucht?
Den Moment gibt es bei einigen Künstlern sehr früh. Da fragt man sich, was hast du solchen Leuten überhaupt noch zu sagen? Und dann redet man weiter, wie ein Radio, wohl wissend, daß er sowieso schon das meiste von einem weiß. Und gerade dann braucht er einen vielleicht erst recht wieder – und umgekehrt. Est dann entsteht der interessante „Verschiebebahnhof“ von ganzen Bewußtseinspaketen, die da ohne Emphase einfach die Gleise wechseln ... Strange thing, this teaching!

Ein Erfahrungswert: Wie groß ist der Anteil von Studenten, die es auf dem Kunstmarkt schaffen? Und sind das dieselben, die es schaffen, interessante, relevante Kunst zu machen?
Eine der wenigen Fähigkeiten, die ich mir zugetraut habe, war, in vielen „einige zu erkennen“. Was das ist, ist mir selbst schleierhaft geblieben. Einer hat ein viel zu großes Porträt seiner Mutter zur Prüfung mitgebracht, ein anderer hat ein Jahr lang mir unverständliches Zeug gemacht, und ein Dritter hat alles so gemacht, wie man es machen soll ..., und alle drei sind Persönlichkeiten geworden. Wenn ich die Bongart-Liste „Die 100 Größten“ von 1970 anschaue, dann ist der Kunstmarkt eine fragwürdige Institution. Trotzdem bilde ich mir ein, daß der Kunstmarkt deshalb heute besser geworden ist und gute Künstler heute von guten Galeristen erkannt werden. Vielleicht, weil die Teilnehmer inzwischen „ineinander gelaufen sind“ und Galeristen teilweise im gleichen Rennboot sitzen wie die Künstler selbst.

Was konnten Ihre Studenten besser als Sie?
Sie können Sachen, die ich nicht kann – und umgekehrt. Und das ist das Schöne!


Außerdem in diesem Spezial:

Katharina Fritsch
Jonathan Meese
Ralf Kerbach
Durs Grünbein
Franz Ackermann