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Wie sieht die nächste Generation der Fotografie aus?

Junge Fotografie sieht nicht mehr unbedingt wie Fotografie aus - das zeigt eine Ausstellung im Leverkusener Museum Morsbroich

Im Rheinland hat die kalkulierte Sabotage am eigentlichen Auftrag der Kamera Tradition. Hier haben die Bechers und ihre weltberühmten Schüler das Reflektieren über die eigene Disziplin zur Kunstform erhoben. Der Nachwuchs der mit 18 Positionen angenehm vielstimmigen Überblicksschau kommt von der Kunsthochschule für Medien in Köln und der Kunstakademie Düsseldorf. Zwischen Parodie der Struff­sky-Ästhetik und hybriden Grenzüberschreitungen spürt man den Zwang zum noch nicht Dagewesenen.

Wenn sich etwa Moritz Wegwehrt in das Getümmel des Times Square am Abend der Präsidentschaftswahl von 2016 stürzt, hallt das Werk seines Lehrers Andreas Gursky schlicht zu laut nach in dem digital collagierten Gewimmel aus Kulissen, Werbebanderolen und TV-Bühnen. Für die meisten seiner Generationsgenossen hat die Fotografie ohnehin den Rahmen des klassischen Papierabzugs verlassen.

Matthias Wollgast verwandelt Filmstills in unscharfe Gemälde, zeichnet Negative per Hand und presst fiktive Künstlerbiografien zwischen reale Buchdeckel. Flexibel sind auch die auf Seide gedruckten "Bilder" von Anne Pöhlmann, die man erst auf den zweiten Blick von einem Vorhang unterscheiden kann. Anna Vogel mischt am Rhein­ufer aufgenommene Lichtreflexe mit Tuschezeichnung, während Louisa Clement Smartphone-Videos von Schaufensterpuppen so einlullend langsam laufen lässt, dass man sie für Porträts von Avataren aus dem digitalen Raum hält. Beide Gursky-Meisterschülerinnen trauen unserer Wahrnehmung nicht.

Weswegen es Shigeru Takato vielleicht lieber gleich zurück in Platons Höhle verschlägt. In Kroatien, wo Archäologen Knochen von Neandertalern aufgespürt haben, erschafft er mit der Großbildkamera wunderschöne, in Leuchtkästen gepresste Naturmeditationen der unterirdischen Fundorte, die über jedes theoretische Konstrukt erhaben sind.