Familienbetrieb Kunst (1)

"Wir lernen voneinander." Galerist André Buchmann über Aufbruch und Tradition

Die Galerie Ihrer Eltern ist 1975 in St. Gallen entstanden. Sie haben früh den Umgang mit Kunst gelernt ...
Besonders der Kontakt mit Künstlern hat mich fasziniert.
 
 
Gibt es so etwas wie Erziehung zu Geschmack und künstlerischem Urteil?
Es geht weniger um Geschmack als um künstlerisches Urteil. Das visuelle Gedächtnis ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit.
 
 
Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, Galerist zu werden?
Nach dem Abitur schien es mir zu offensichtlich, und ich fing an zu studieren. Nach einigen Semestern aber habe ich das Studium für ein längeres Praktikum in einer Galerie in New York unterbrochen. Danach stand mein Entschluss fest, Galerist zu werden.
 
 
Wie haben Sie angefangen?
Innerhalb der Buchmann Galerie in Basel bekam ich die Möglichkeit, neue Künstler in das Programm zu bringen. Da begann die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Lawrence Carroll und Tatsuo Miyajima. Das war 1993 und 1994.
 
 
Wie ist das aber mit Künstlern, die man übernimmt aus der Repräsentanz durch die Eltern? Haben sich dabei Generationsgräben aufgetan?
Man kann Künstler nicht einfach übernehmen. Sie sind autonom und entscheiden sich für einen. Aus einem lockeren, unverbindlichen Umgang wurde in einigen Fällen eine galeristische Zusammenarbeit, die für beide Seiten eine unglaubliche Veränderung war. Mit dem Start der Galerie 1995 in Köln habe ich mit einigen Künstlern, mit denen ich eine starke inhaltliche und persönliche Verbindung hatte, selber zu arbeiten angefangen. Vor allem sind aber auch weiter neue, jüngere Künstler ins Programm gekommen.
 
 
Wie verschafften Sie sich Glaubwürdigkeit?
Das war für mich nie ein Problem. Sie basiert auf einem Werkverständnis und einer Werkkompetenz. Das ist meine Maxime als Galerist, und die gilt für jeden Künstler. Ich verstehe mich als erster Ansprechpartner des Künstlers außerhalb des Ateliers und als sein Sprachrohr. Zudem sollte ein Galerist Visionen entwickeln, was die Zukunft angeht. Die Zusammenarbeit von Künstler und Galerist ist so ein vielschichtiges und komplexes Verhältnis. Da muss man sich immer wieder behaupten.
 
 
Wissen die Künstler die familiären Bindungen zu schätzen?
Der Künstler Daniel Buren meinte einmal zu mir, er habe keine Lust, mit seinen Galerien alt zu werden. Er bezog das nicht nur auf das Alter der Galeristen, sondern auch auf das der Künstler im Programm. Er hat etablierte Galerien verlassen, um zu Jüngeren zu gehen. Die ältere Generation sucht diesen Sprung zur nächsten Generation. Genauso interessiert es jüngere Künstler,  in thematischen Ausstellungen auf jemanden wie Buren zu treffen. Die Künstler schätzen das als besondere Qualität, und genau das biete ich in der Galerie. Außerdem ist es für viele eine besondere Situation, dass sie Projekte mit mir in Berlin machen und mit meiner Mutter in Lugano, wo die Schweizer Galerie nun ihren Sitz hat. Die Ausstellungen sind allein von den geografischen und räumlichen Verhältnissen sehr verschieden. Die Galerie mitten in Berlin bietet ganz andere Voraussetzungen als die Galerie in Lugano, die speziell als Ausstellungshaus gebaut wurde und eine starke Ausrichtung auf Skulptur hat.
 
 
Wie ist die Rollenverteilung: Sie brechen in Berlin zu neuen Ufern auf, Ihre Mutter hütet die Tradition?
Neues Terrain bereiten, das ist sicherlich meine Aufgabe. Das Berliner Programm ist mit 20 Künstlern weit gefächert. Das entspricht meiner eigenen Erfahrung: Ich habe einen intensiven Austausch mit Künstlern meiner Generation, genauso wie mit einer Künstlergeneration, die in den 60er- oder 70er-Jahren ihren Ursprung fand. Diese Vielschichtigkeit und Bezüge innerhalb der Kunst zu zeigen, ist mir immer ein Anliegen. Lugano ist ein idealer Ort, um auf präzise Weise etablierte Positionen vor dem Hintergrund einer kunstaffinen Sammlerschaft in der Schweiz und in Norditalien zu präsentieren.
 
 
Was ist das Wichtigste, das Sie von Ihren Eltern gelernt haben? 
Die Aufrichtigkeit in Bezug auf die Kunst, die man vertritt, ist wesentlich. Hinter den künstlerischen Positionen muss man mit voller Überzeugung stehen und sich frei machen von Kompromissen, Kalkül oder kurzfristigen Moden.
 
 
Und was haben Sie aus kaufmännischer Sicht beigebracht bekommen?
Als Schweizer neige ich zu umsichtigem Handeln, was im schnelllebigen Kunstmarkt sicher von Vorteil ist. Das zeigt gerade die jetzige Situation: wie schnell haben sich da gewisse Dinge redimensioniert. In diesem Kontext mit Besonnenheit und langfristiger Perspektive zu arbeiten, ist entscheidend.
 
 
Der Markt ändert sich ständig. Das Galeristenhandwerk kann man also nicht einfach weitergeben, sondern man muss es immer neu lernen.
Der Markt ist heute global, unglaublich dynamisch und schnell. Das erfordert eine stetige Überprüfung der eigenen Position und eine Offenheit gegenüber Entwicklungen.
 
 
Also kann Ihre Mutter nun auch von Ihnen lernen ...
... wir lernen beide ständig voneinander.
 
 
Wundert sich Ihre Mutter manchmal über den heutigen Kunstbetrieb?
Mit ihrem Erfahrungsschatz kann sie viele Entwicklungen antizipieren, manchen Vorgängen ist sie auch kritisch gegenüber. Ich finde es wichtig, dass es auch im Kunstbetrieb keine Generationengrenzen, sondern es eine intensive Kommunikation zwischen den Generationen gibt. Das zeigt sich auch in meinem Programm. Ich freue mich auf die Ausstellung mit Joel Sternfeld in diesem Herbst, wo seine für viele jüngere Fotografen einflussreiche Fotoserie „On this Site“ erstmals in Deutschland umfassend gezeigt wird.