Andreas Müller-Pohles "Hong Kong Waters"

Wo die Brandung das Watt aufwühlt

Dass manche Städte am Wasser liegen, ist bekannt. Aber wie das Wasser sich um das Festland formt, ist schon Spezialwissen, etwas für Hobbytaucher, Hafenmeister und Ozeanographen. Oder für Andreas Müller-Pohle. "Hong Kong Waters" ist nach "The Danube River Project" die zweite Studie, in der sich der deutsche Fotograf mit der Visualisierung der Wasserlage vom Wasser aus beschäftigt.

Seine Technik ist so ausgelegt, dass er zugleich unter- und oberhalb der Wasseroberfläche fotografieren kann. Eine miniaturhafte Skyline bekommt dann ein Korallenriff untergeschoben wie eine Bühne. Wo die Brandung das Watt aufwühlt, erkennt man eine Art Tsunami. Ein grüngelber Garten unter der Wasseroberfläche erinnert magisch an den Beatles-Song, in dem sich einer im Oktopusgarten einen Schattenplatz sucht.

Man sieht die Hafenbauten, Hochhäuser und Brücken, nur eben in jener Zweiteilung des Bildes, die der Fotograf in ruhigen, bewegten und stürmischen Varianten vorführt. Das Ganze ist offensichtlich darauf angelegt, die Vorstellung eines Horizonts komplett weichzukneten, und in der Tat ist es ja so, dass der Horizont eine anthropozentrische Setzung ist.

Der einzige Nachteil dieser seltsamen Etüde mag darin liegen, dass Müller-Pohles wilde "Hong Kong Waters" ins Hochformat gezwungen sind. So wiederholt sich immer die Reminiszenz der abenteuerlichen Unterwasserfotografie, gespiegelt vielfach im geborstenen und schäumenden Himmel des Formats. An solchen Experimenten, die um das Verborgene oder das kaum Sichtbare kreisen, ist der 1951 geborene Berliner Künstler schon lange dran, wobei der Wechsel zur Farbe seine Sujets hat konkreter werden lassen.

Während er beim Donauprojekt sogar die Daten chemischer Wasseranalysen mitlaufen ließ, verlässt sich der Fotograf hier ganz auf die Bilder - die jedoch wollen nicht sagen, dass Baden und Bootfahren in Südchina ab jetzt pauschal zu buchen sind. Sondern dass es sich um eine phantastische Seelandschaft handelt, in die ein Koloss der Zivilisation gestellt ist. Die relative Unversehrtheit der Aquanatur ist
eine chinesische Ausnahme, ihre Bewahrung eine dringende Aufgabe.

Andreas Müller-Pohle: "Hong Kong Waters". Auf Englisch. Kehrer, 96 Seiten, 39,90 Euro

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 10/2013. Sie können das Heft hier bestellen.