Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Braunschweig, Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Kassel, Lausanne, Leipzig und Völklingen


Sandra Mujinga in Berlin

Die in Norwegen aufgewachsene, in Berlin lebende Bildhauerin und Videokünstlerin Sandra Mujinga überzeugte die Jury des Preises der Nationalgalerie mit ihren eindringlichen Rauminstallationen, die beherrscht sind von überlebensgroßen Figuren und suggestiven Lichtverhältnissen. Halb Wächter, halb Bedrohung, waren sie auch auf der Venedig-Biennale zu sehen und markierten eine der interessantesten Zonen der Hauptausstellung.

In ihrer Einzelschau als Preisträgerin steht Mujinga die große historische Halle des Hamburger Bahnhofs zur Verfügung. Im Titel der Ausstellung nimmt sie Bezug auf Überlebensstrategien von Tieren, die sich durch physische Mutationen und verändertes Verhalten gegen die ihren Lebensraum bedrohende Menschheit verteidigen. Zugleich gilt Mujingas Interesse dem Erschaffen von Welten im Genre Science-Fiction ("Worldbuilding"), das sich sowohl in der Kunst, etwa bei Künstlern wie Arthur Jafa, als auch in den Black Studies als ergiebiger Denkraum erweist. Diese Geister werden nicht ruhen.

"Sandra Mujinga: I Build My Skin With Rocks", Hamburger Bahnhof, Berlin, bis 1. Mai 2023


"Hot Little Pool" in Berlin

Eine Gruppe aus Kuratorinnen, Künstlerinnen und Künstlern hat sich zum interdisziplinären Netzwerk "Hot Little Pool" zusammengeschlossen, die erste gemeinsame Ausstellung findet nun für ein Wochenende im brutalistischen Kunstbau Lobe Block im Berliner Stadtteil Wedding statt. Es ist eine hippe Crowd, die sich da zusammengefunden hat, mit dabei sind etwa die Berliner Kunst-It-Girls Billie Clarken und Anna Ehrenstein. Sich als "Hot Little Pool" aus Kunstschaffenden zu betiteln, entbehrt entsprechend auch nicht einer gesunden Portion an Selbstironie. Die Pop-Up-Ausstellung, die sich aus 17 künstlerischen Positionen zusammensetzt, folgt keinem festgesetzten Thema und auch die Medien, die hier gezeigt werden, unterscheiden sich. Die Schau orientiert sich jedoch lose an einer Erfahrung, die die Beteiligten teilen: das Aufwachsen in einer Realität, die durch das Eintreten des digitalen Zeitalters eine Zäsur erlebt hat. 

"Realität" ist in diesem Kontext ein Schlagwort, das sich in die Arbeit der teilnehmenden Kunstschaffenden eingebrannt hat. Wird sie durch den digitalen Raum erweitert (in Sinne der "Augmented Reality"), oder eingeschränkt? Verwischt das Reale, wenn es vom Hyperrealen überzeichnet wird? Kuratiert wird das Ganze neben Victoria Pidust und Volo Bevza, die beide auch Werke in der Ausstellung zeigen, von Kuratorin und Kunstjournalistin Katja Andreae.

"Hot Little Pool (Vol. 1)", Lobe Block, Berlin-Wedding, bis 11. Dezember 2022

Emma Adler, "SIMULATOR [SIC!]NESS ([!]obj.)", 2021
Foto: Courtesy Emma Adler & Hot Little Pool

Emma Adler, "SIMULATOR [SIC!]NESS ([!]obj.)", 2021


Naturfotografien in Braunschweig

Die besten Bilder aus der Natur - 100 international preisgekrönte Fotografien werden zum Jahreswechsel in Braunschweig ausgestellt. Als erstes niedersächsisches Museum zeigt das Staatliche Naturhistorische Museum die prämierten Werke des Wettbewerbs "Wildlife Photographer of the Year 2022". Wie das Ausstellungshaus am Dienstag mitteilte, handelt es sich um die in 19 Kategorien ausgezeichneten Sieger von rund 40 000 eingereichten Fotografien aus 93 Ländern. Sie werden von Mittwoch an bis zum 15. Januar in Braunschweig gezeigt.

Sowohl Profis als auch Amateure nahmen nach Museumsangaben mit ihren Bildern an dem Wettbewerb vom BBC Wildlife Magazine und dem Natural History Museum in London teil. Die seit 1965 jährlich stattfindende Auswahl lenke die Aufmerksamkeit auf die Vielfalt des Lebens, den Respekt gegenüber Tieren, der Natur und der Umwelt. Bei der 58. Auflage sei mit Karine Aigner und ihrer Fotografie "The Big Buzz" ("Das große Summen") erst zum fünften Mal eine Frau zur Gewinnerin des Gesamtwettbewerbs gekürt worden. (dpa)

"Wildlife Photographer of The Year", Staatliches Naturhistorisches Museum, Braunschweig, bis 15. Januar 2023


Kunst und Techno in Dortmund

Im Club Tresor.West in Dortmund werden die Wände nicht mehr länger nur mit Techno-Bässen bespielt, in Zukunft finden sich an ihnen auch Kunstwerke. Die ARC Gallery befindet sich in den Seitengängen im Kellergewölbe des Clubs und feiert dieses Wochenende ihre Eröffnung mit einem kleinen Programm. Unter "DisfunctionalPerfection" zeigen die vier Residenzkünstler der Galerie Flor de Fuego (Florencia Alonso), Christian Keinstar, Kerima Elfaza und RaumZeitPiraten multimediale Arbeiten, die sich mit dem Thema der Zweckentfremdung auseinandersetzen. Zusätzlich finden Künstlergespräche und eine Performance des argentinischen Kollektivs Post-Organic Bauplan statt. Wer möchte der bleibt im Anschluss gleich für die Clubnacht. Die ARC Gallery möchte regionale Künstler unterstützen und ihnen einen Raum geben.

"DisfunctionalPerfection", ARC Gallery im Tresor.West, Dortmund, 10. Dezember 


Rosemarie Trockel in Frankfurt

Mediale Vielfalt und ein enormes Themenspektrum zeichnen das Werk von Rosemarie Trockel aus. Anlässlich ihres 70. Geburtstags im November zeigt das MMK eine Retrospektive mit über 200 Werken aus 50 Jahren. Trockel bedient sich wiederholt symbolträchtiger Objekte, Materialien und Techniken aus dem Repertoire des Häuslichen, führt Wolle und maschinell gefertigte Stickereien in die Kunst ein. Nicht zuletzt als Kommentar zum Machtgefälle in einer patriarchalen Gesellschaft bleibt ihr Werk hochaktuell.

"Rosemarie Trockel", Museum MMK für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, 10. Dezember bis 18. Juni 2023


Feministischer Blick auf "Femme fatale" in Hamburg

Um das Vorstellungsbild der "Femme fatale" geht es seit Donnerstag in der neuen Ausstellung der Hamburger Kunsthalle. Unter dem Titel "Blick - Macht - Gender" will die epochenübergreifende Schau bis zum 10. April 2023 dem Stereotyp der erotisch-verführerischen und begehrenswerten Frau nachgehen, die Männer in ihren Bann und in ihr Unglück zieht. Dabei wird nach Angaben der Kunsthalle die Entwicklung des Mythos vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gezeigt.

Unter den 200 Exponaten sind Gemälde präraffaelitischer Künstler ebenso wie Werke des Symbolismus, des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Mit Werken der frühen feministischen Avantgarde sowie aktuellen Arbeiten mit (queer-)feministischen Ansätzen solle der Bogen in die Gegenwart geschlagen werden, hieß es.

"Das Frauenbild der Femme fatale zeigt, wie sehr die Kunstwelt über lange Zeit vom männlichen Blick dominiert war", sagte Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD). "In diesem Bild vereinten sich über Jahrhunderte Ansichten, die mit dem gegenwärtigen Verständnis von einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft wenig zu tun haben." Die Kunsthalle wolle sich kritisch mit dem Bild der Femme fatale auseinandersetzen und ihm einen feministischen Blick entgegensetzen. "Mit dieser Ausstellung und dem vielfältigen Programm unterstreicht die Kunsthalle einmal mehr ihren Anspruch, gesellschaftlich relevante Themen zu behandeln." (dpa)

"Blick - Macht - Gender", Hamburger Kunsthalle, Hamburg, bis 10. April 2023


Emil Nolde in Kassel

Obwohl seine Kunst durch die Zugehörigkeit zu der Künstlergruppe "Brücke" und die expressionistische Malweise im Dritten Reich als "entartet" galt, suchte Emil Nolde die Nähe zum NS-Regime. Schon länger war eigentlich bekannt, dass der Künstler sich antisemitisch äußerte und versuchte in den nationalsozialistischen Kunstkanon aufgenommen zu werden – der Mythos des verfolgten Künstlers in innerer Emigration hielt sich jedoch hartnäckig. 

Nach Kriegsende befeuerte Nolde seine eigene Mystifizierung und wurde dabei von deutschen Sammlern und dem Documenta-Gründer Werner Haftmann unterstützt. Die Ausstellung "Emil Nolde - Eine deutsche Legende" 2019 im Hamburger Bahnhof erschütterte das Bild erneut, Angela Merkel hängte eines seiner Gemälde aus ihrem Arbeitszimmer ab, und die Debatte wurde zu einem Politikum um die Trennung von Künstlern und ihrem Schaffen. 

Auf Anfrage der Draiflessen Collection in Mettingen und der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde hat sich der Konzeptkünstler Mischa Kuball das Werk des Malers noch einmal vorgenommen und 2020 in der Ausstellung "Emil Nolde – a critical approach by Mischa Kuball" zerlegt. Nun ist die Schau unter dem Titel "Nolde/Kritik/Documenta" auf Einladung des Documenta Archivs im Fridericianum in Kassel zu sehen.

Die Ausstellung zerpflückt die Selbstdarstellung Noldes und die Rolle der Documenta in Nachkriegsdeutschland. Dort finden sich einige der Werke Noldes, die bei den ersten Ausgaben gezeigt wurden, genau wie 18 von 30 "ungemalten Bildern", die der Künstler während seines angeblichen Malverbots schuf, und die bei der Documenta 1964 einen ganzen Raum füllten. Die Nolde-Werke werden ergänzt durch Arbeiten von Mischa Kuball, Bildtafeln aus dem Bildatlas "Mnemosyne" von Aby Warburg wirken in die kunstkritische Methodik der Ausstellung hinein.

"Nolde / Kritik / Documenta", Friedrichsplatz 18, Kassel, bis 19. Februar 2023


Lubaina Himid in Lausanne

Unablässig erkundet die in Sansibar geborene Lubaina Himid seit über 40 Jahren die Möglichkeiten der Malerei. Eine zentrale Figur in der Bewegung der British Black Art der 1980er, schafft es die Turner-Prize-Trägerin von 2017 immer wieder, unseren Blick auf unsichtbare Aspekte der Geschichte zu lenken. Ihre Soloschau im MCBA in Lausanne umfasst opernhafte Gemälde, monumentale Installationen sowie Klang-Environments. Die ganze Bandbreite und Intelligenz dieser bedeutenden Künstlerin kann hier entdeckt werden.

"Lubaina Himid: So Many Dreams", Musée Cantonal Des Beaux-Arts, Lausanne, bis 5. Februar 2023


Benin-Bronzen in Lepzig

Das Grassi Museum für Völkerkunde in Leipzig erfindet sich neu und zeigt erstmals nach einer Unterbrechung wieder Benin-Bronzen. Die Objekte, die in der Kolonialzeit nach Deutschland kamen, wurden dafür in einen besonderen Kontext gesetzt. Der nigerianische Künstler Enotie Paul Ogebor hat sich in einer Malperformance mit den Kulturgütern auseinandergesetzt. Die dabei entstandenen Bilder werden zusammen mit den Bronzen gezeigt. Dies sei ein erstes Fenster in die Zukunft, wie eine Zusammenarbeit bei den Benin-Bronzen aussehen könnte, sagte Direktorin Léontine Meijer-van Mensch am Donnerstag.

Sachsen verfügt nach Berlin über den zweitgrößte Bestand in Deutschland. Die 262 Objekte stammen großteils aus britischen Plünderungen 1897 im Palast des damaligen Königreichs Benin. In diesem Sommer hatten sich die Bundesrepublik und Nigeria auf einen Weg zur Rückführung der geraubten Objekte geeinigt. Auch Sachsen bekennt sich zur Rückgabe. Wann und wie dies geschehen soll, ist allerdings noch offen. "Wir sind in Verhandlungen", sagte Meijer-van Mensch. Auch wenn es einen "absoluten Willen" zur Rückgabe gebe, seien noch verschiedene Probleme zu lösen.

Das Völkerkundemuseum hatte seit Juni 2021 keine Benin-Bronzen mehr gezeigt. Der neu gestaltete Raum ist Teil des Zukunftsprojektes "Reinventing Grassi.SKD". Dabei wird das Museum nach und nach umgestaltet und modernisiert. Alle ethnologischen Museen versuchten derzeit, sich neu zu erfinden, sagte Meijer-van Mensch. Ihr Ziel sei es, das Grassi zu einem "Netzwerkmuseum" zu machen, zu einem Ort der Begegnung.

Passend dazu hat das Grassi jetzt auch einen "Spielraum" eingerichtet. Dort können sich Menschen treffen und in einem Atelier arbeiten. Zudem wurde die Leipziger Kneipe "Weißes Roß" musealisiert. An ihrem Tresen, der noch den Charme der Nachwendezeit versprüht, kann nach Veranstaltungen in Bier gezapft werden. Der ehemalige Betreiber Jens-Thomas Nagel soll auch immer mal eingeladen werden. Er hatte die Kneipe 2019 geschlossen, weil ihm die Mieten zu hoch wurden. Das Inventar findet sich jetzt im Grassi Museum wieder. (dpa)

"Reinventing Grassi.SKD", Grassi Museum, Leipzig, bis auf weiteres


Julian Rosefeldt in Völklingen

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte lädt von Sonntag an zu einem neuen Großereignis ein: "Julian Rosefeldt. When we are gone" lautet der Titel der Ausstellung mit Werken des in Berlin lebenden Künstlers aus den letzten 20 Jahren. Seine markant choreographierten Multi-Screen-Installationen werden weltweit in Museen, auf Festivals und in Opernhäusern gezeigt. Bis zum 3. September 2023 bietet die 6000 Quadratmeter große Gebläsehalle Platz für eine umfangreiche Werkschau des 57-Jährigen. Seine neuen Filminstallationen "Euphoria" und "Penumbra" feiern dabei ihre institutionelle Europapremiere.

"When we are gone" soll "ein Gesamtkunstwerk aus Film, Tanz, Text und Musik in einem exemplarischen Moment und Monument des Anthropozäns" sein. Es sei eine Werkschau als Rückschau auf Geschichte, Gegenwart und Zukunft, deren sinnliche Kraft und gedankliche Tiefenschärfe die Besucher ebenso irritieren wie faszinieren werde. (dpa/monopol)

"Julian Rosefeldt. When We Are Gone", Völklinger Hütte, Völklingen, bis 3. September 2023