Wohin im November?

Eros und Stasi
Verfall, Stagnation, Überwachung, Alltag, Mode und eine Boheme, die mit Hedonismus der Bevormundung durch die DDR-Obrigkeit trotzt. Das thematische Spektrum auf den rund 100 SchwarzWeiß-Fotos der Ausstellung „Eros und Stasi“ ist so riesig, wie der widersprüchliche Titel es andeutet. So heißt auch eine Aufnahme der Fotografin Ute Mahler, neben der weitere bedeutende ostdeutsche Chronisten wie Sibylle Bergemann, Roger Melis, Helga Paris oder Ulrich Wüst vertreten sind. Das letzte Wort haben Daniel und Geo Fuchs mit ihrer Serie „STASI – secret rooms“ – Ergebnisse einer Spurensuche 15 Jahre nach dem Mauerfall. Gefängniszellen, Büros und Aktenregale. Ein Blick in die Maschinenräume der Macht.
Ludwig Forum, Aachen, bis 21. November

Emily Wardill: „windows broken, break, broke together“

Was ist ein Bild? Auf welche Weise lebt es? Welche Bedeutung kommt der subjektiven Wahrnehmung zu? Solche Fragen interessieren die britische Künstlerin Emily Wardill (Jahrgang 1976) in ihren 16-mm-Filmen, die den Betrachter in faszinierende Labyrinthe locken. Ausgangspunkt für die filmischen Collagen ist meist ein formal starkes Motiv, in „Sick Serena“ das mittelalterliche Glasfenster. Längstes Werk in der bisher umfangreichsten Wardill-Schau ist der 72-minütige Film „Game Keepers without Game“. Der 1636 erschienene Roman „Das Leben ist ein Traum“ von Pedro Calderón de la Barca wird auf zeitgenössische englische Verhältnisse übertragen. Wardill isoliert die Protagonisten vor weißen Hintergründen. Nirgends Berührungen, klirrende Kälte.
De Appel Boys‘ School, Amsterdam, bis 28. November

Mitch Epstein: „State of the Union“
Amerikanische Museen horten – zu Recht – die Bilder von Mitch Epstein. In Deutschland ist der herausragende Fotograf und Farbpionier allein durch seine Bücher bekannt. Die Schau im Kunstmuseum Bonn will das ändern und vereinigt zwei Fotoserien im Ausstellungsraum. Auf eindringliche, aber unspektakuläre Weise zeichnete Epstein in der Reihe „Recreation – American Photographs“ den US-Alltag der 70er- und 80er-Jahre auf. In der Serie „American Power“ wirft der Chronist einen kritischen Blick auf die amerikanische Energieindustrie, die einen zentralen Machtfaktor in den USA darstellt (Bild: „Amos Coal Power Plant“, 2005). Ist den Menschen ein Stück Freizügigkeit abhandengekommen? Man gewinnt den Eindruck, wenn man die Serien vergleicht.
Kunstmuseum Bonn, 11. November bis 23. Januar 2011

Louise Bourgeois
Der internationale Durchbruch kam spät: 1982 räumte das MoMA Louise Bourgeois als erster Frau eine Retrospektive ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Künstlerin schon 70. Von einem Alterswerk kann jedoch nicht die Rede sein, schuf sie in den folgenden 25 Jahren doch einige ihrer spektakulärsten Skulpturen. Als eine der ersten Künstlerinnen arbeitete sie installativ und begriff ihre Werke im Zusammenhang mit den Ausstellungsräumen. Die Schau vereint nun 114 Arbeiten der kürzlich verstorbenen Künstlerin. Neben Zeichnungen und Aquarellen sind vor allem die lebensgroßen „Personnages“ zu sehen, die Bourgeois bestimmten Menschen und deren Beziehungen widmete.
Städtische Museen Jena, bis 21. November

„Verbotene Liebe. Kunst im Sog von Fernsehen“

Ein Kulturkiller geht um: die Einschaltquote. Dass es aber doch Berührungspunkte zwischen Kunst und Fernsehen gibt, zeigen Ausstellungen wie „Are you ready for TV?“ am MACBA in Barcelona (ab 5. November). Im Kölnischen Kunstverein geht es aber weniger um Medienkritik, vielmehr sind Künstler versammelt, die die Regeln des Fernsehens für die eigene Arbeit nutzen. Unvergessen: Christoph Schlingensief als unberechenbarer Talkmaster. Kalup Linzy agiert in seinen Soap-Formaten in wechselnden Rollen (Videostill: „Melody Set Me Free“, 2007). Mel Chin schmuggelte eigene Requisiten in die Serie „Melrose Place“ ein, Ryan Trecartin treibt Fragmente aus TV, Internet und Computerspiel an die Grenze zur Abstraktion.
Kölnischer Kunstverein, bis 19. Dezember

„Move: Choreographing You“
„Bewegung!“ ruft Kuratorin Stephanie Rosenthal den Besuchern der Hayward Gallery zu. Die Skulpturen, Installationen und Performances widmen sich der Interaktion zwischen bildender Kunst, Performance und Tanz in den vergangenen 50 Jahren. Tänzer wie William Forsythe, Künstler wie Lygia Clark, Bruce Nauman oder Franz Erhard Walther haben sich damit beschäftigt, inwieweit Bewegungen originär, standardisiert oder manipulativ erzeugt sind.  In der Videoinstallation „Ten Thousand Waves“ von 2010 untersucht Isaac Julian das Bewegungsrepertoire von Menschen verschiedener Regionen. Und auch die Besucher werden choreografiert, anstatt einfach nur durch den Parcours geschickt zu werden: Mike Kelley animiert das Publikum in einer Art Spielzimmer, Christian Jankowski hält Hula-Hoop-Reifen bereit.
Hayward Gallery, London, bis 9. Januar 2011

Peter Fischli & David Weiss

Findet mich das Glück? Alltagspoetische Fragen im Zusammenspiel mit scheinbaren Belanglosigkeiten inspirieren das Künstlerduo von Anfang an: Für ihr erstes gemeinsames Werk „Wurstserie“ plünderten Peter Fischli und David Weiss 1980 ihren Kühlschrank und arrangierten ihre Beute aus Würsten und Wurstscheiben zu abenteuerlichen Szenen (Bild: „Frau Birne bringt ihrem Mann vor der Oper das frisch gebügelte Hemd. Der Bub raucht.)“ Auch ihr bekanntester Film „Der Lauf der Dinge“ von 1986/87 steht für eine humorvolle Einbindung von Alltagsgegenständen in den künstlerischen Arbeitsprozess der Schweizer. Mit Parodie und Ironie wollen sie sich selbst und anderen die Welt erklären. Die Münchner Ausstellung präsentiert knapp 50 Skulpturen, Installationen, Fotografien und Filme von 1979 bis heute.  
Sammlung Goetz, München, 8. November bis 26. Februar 2011