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Wumms, gegen den Mann

Sie war die Irre, die damals auf ihn schoss. So viel wissen wir heute, für mehr fehlte offenbar das Interesse. Denn abgesehen vom Spielfilm „I Shot Andy Warhol“ (1996) hat die Popkultur sich wenig um die Schriftstellerin Valerie Jean Solanas gekümmert.

Vielleicht ändert sich das jetzt. Gerade erschien der Roman „Traumfabrik“ der schwedischen Autorin Sara Stridsberg auf Deutsch, und der Hamburger Verlag Philo Fine Arts nimmt dies zum Anlass, auch Solanas „S.C.U.M. – Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“, das in den vorigen Jahren nur noch als Restauflage erhältlich war, neu herauszubringen.

Da schreibt sie über den Mann an sich: „Obwohl er von Schuld- und Schamgefühlen, Angst und Unsicherheit aufgefressen wird und – wenn er sich glücklich fühlt – nur ein kaum wahrnehmbares körperliches Gefühl aufbringt, ist er gleichwohl wie besessen aufs Vögeln aus; er wird durch einen See voll Rotz schwimmen, meilenweit durch bis zur Nase reichende Kotze waten, wenn er nur glaubt, dass am anderen Ufer ein freundliches Vötzchen auf ihn wartet.“

Das ist brachial und, angesichts des heutigen Wohlfühlfeminismus, auch schwer zu verkraften. Wer allerdings zu „Traumfabrik“ greift, um herauszufinden, ob Valerie Solanas Wahnvorstellungen aufsaß und deshalb an jenem Junimontag auf Warhol zielte – oder ob sie doch die brillante Autorin war und das Attentat der Vollzug ihres Denkens, der wird das Buch enttäuscht wieder zuklappen.

„Traumfabrik“ poetisiert allzu sehr am kleinen, vergewaltigten, verwahrlosten Mädchen Valerie herum, um Solanas als Denkerin ernst zu nehmen. Laken „riechen nach Untergang und Unterwelt“, die Sterne am Nachthimmel sind „tot“, „Seifen­blasen schweben durchs Fen­ster ein und aus“. Die Konstruktion gerät kompliziert, geschildert wird dreifach chronologisch: einmal vom Sterbebett in San Francisco 1988 an rückwärts, dann von der ersten Vernehmung vor Gericht 1968 an vorwärts. Der dritte Strang beginnt 1945 in der Wüste, wo die Neunjährige auf ihre selbstmordgefährdete Mutter aufpasst, und nimmt den Weg über die Forscherkarriere an der Universität Maryland nach New York.

Die häufigen Dialoge zwischen der fiktiven Erzählerin und der fiktiven Solanas haben Reiz. Allerdings scheint die Figur wenig gemeinsam zu haben mit dem Original, vor allem, was die Sprache angeht. Valerie Solanas ging es in ihrem Manifest um Forderungen, die sie mit reflektiertem Wumms heraushaute. Sara Stridsberg geht es nur um Stimmung.

Sara Stridsberg: „Traumfabrik“. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein. S. Fischer, 336 Seiten. 21,95 Euro.
Valerie Solanas: „S.C.U.M. — Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“. Philo Fine Arts, 109 Seiten, 10 Euro