"Picasso – El Greco" in Basel

Zeitreisen eines Avantgardisten

Das Kunstmuseum Basel zeigt die faszinierenden Verbindungen zwischen den Malern Pablo Picasso und El Greco

Pablo Picasso kennt jedes Kind. Der Name El Greco ist weniger geläufig. Bedeutend sind sie beide, zwei Künstler, die im Abstand von Jahrhunderten ihre eigenwilligen Werke schufen. Aber Zeit ist relativ, vor allem in der Kunst. Kunstschaffende führen eigentlich ständig Dialoge mit der Vergangenheit. Die Avantgarde ihrer Zeit grenzt sich ab vom Althergebrachten – oder sie findet im Rekurs auf die Kunstgeschichte Inspiration und neue Impulse. Picasso, der 1973 91-jährig starb, war ein besonders passionierter Zeitreisender, der sich in vergangenen Epochen nahm, was ihm gefiel. Dass ihn mit dem Großmeister des spanischen Manierismus künstlerisch besonders viel verband, zeigt nun die Ausstellung "Picasso – El Greco" im Kunstmuseum Basel.

Die Schau ist auf mehr als 30 Bildpaaren aufgebaut, zwischen denen jeweils rund 350 Jahre liegen. Ein 1967 gemalter "Musketier" macht die Verbindung explizit. Auf der Bildrückseite notierte Picasso die Namen "Domenico Theotocopulos van Rijn da Silva". Der Spanier erwies hier nicht nur Rembrandt (Harmenszoon van Rijn) und (Diego Rodríguez de Silva y) Velázquez seine Reverenz, sondern eben auch El Greco, aus dem Spanischen: "der Grieche", der als Domínikos Theotokópoulos 1541 auf Kreta geboren wurde und 1614 im spanischen Toledo starb. Ein Individualkünstler und Weltenwanderer, der infolge seiner verschlungenen Biografie gleich drei Traditionen – die griechisch-byzantinische, die venezianische, die spanische – in seinem Werk verarbeitete.

Mit seiner unverwechselbaren Malweise brachte es El Greco in seiner Wahlheimat Toledo zu beachtlichem Ruhm, doch nach seinem Tod geriet der Künstler schnell in Vergessenheit, um erst im 20. Jahrhundert wiederentdeckt zu werden. El Grecos Leben liegt im Dunkeln, kein großer Biograf – wie Vasari bei Michelangelo – nahm sich seiner an, aber gerade als von teilweise fürchterlich romantischen Legenden umrankte Persönlichkeit konnte El Greco einer jungen, rebellischen Künstlergeneration um die Wende zum 19. Jahrhundert zum Vorbild werden.

Die Geschichte einer "Freundschaft"

Picasso, der mit gerade mal 16 Jahren an der Akademie in Madrid studieren durfte (und sie bald wieder verließ, weil er sich unterfordert fühlte), war schon als Teenager Feuer und Flamme für El Grecos Gemälde, die im Prado hingen. Auf eine Zeichnung schrieb der junge Kunststudent damals "Ich, El Greco". Der Künstler des spanischen Manierismus und der ausklingenden Renaissance war nicht besonders angesehen zu dieser Zeit. Doch Picasso schien in ihm einen Verbündeten gefunden zu haben – für den späteren Kampf, die moderne Malerei vom Dogma zu befreien.

Als sich Picassos Freund Carlos Casagemas im Februar 1901 in Paris eine Kugel in den Kopf schoss, löste das Ereignis die schwermütig-monochromen Bilder der "Blauen Periode" aus. Dass diese Phase, wie auch die anschließende "Rosa Periode" (1904–1906), stark von El Greco geprägt war, darüber herrscht Konsens unter Expertinnen und Experten. Für die Kunsthistorikerin und langjährige Kuratorin am New Yorker Guggenheim Museum Carmen Giménez ist die Wirkung des Altmeisters auf Picasso aber viel nachhaltiger. Mit Unterbrechungen bleibt der große Spanier dem eigenwilligen Griechen bis zu seinem Lebensende verbunden, davon ist Giménez fest überzeugt. Als Gastkuratorin am Kunstmuseum Basel will sie, die seit Jahrzehnten zu diesem Thema forscht, nun die ganze Geschichte dieser besonderen "Freundschaft" entfalten.

Erzählt wird in Basel weitgehend chronologisch, entlang der Schaffensphasen des experimentierfreudigen Picasso. Das Kunstmuseum kann hier auf viele Werke aus der eigenen Sammlung zurückgreifen. Auf der anderen Seite des zeitlich weitgespannten Themenfeldes gibt es nur ein einziges Bild aus Museumsbestand, das "Bildnis des Apostel Jakobus d. Ä.", das der Schule El Grecos zugeordnet wird. Giménez und ihre Kokuratoren Gabriel Dette, Josef Helfenstein und Ana Mingot konnten sich aber – trotz pandemiebedingter Hindernisse – wichtige Leihgaben aus internationalen Sammlungen sichern, darunter auch eine zwischen 1597 und 1600 gemalte Auferstehungsszene aus dem Prado in Madrid.

Ein Bild voller ekstatischer Gesten, gereckter Arme und gestreckter Körperproportionen. Die unnatürlich länglichen Figuren, hier besonders der nackte Christus in der oberen Bildhälfte, sind ein typisches Merkmal in El Grecos spätem Schaffen. Es hat einfältige Kunsthistoriker gegeben, die dem Maler einen Astigmatismus unterstellten. Ein Denkfehler, denn so hätte El Greco ja auch seine Bilder verzerrt wahrgenommen – und die eigenen Bildfiguren wären ihm noch länger vorgekommen. Psychologen sprechen von einem "El-Greco-Trugschluss". Nein, der Maler wusste, was er tat. Und Picasso, der die Verzerrung von Figur und Raum noch viel weiter trieb, dürfte sich hier einiges abgeschaut haben.

El Greco tritt aus dem Halbschatten

Gleich drei Räume im Kunstmuseum widmen sich dem Kubismus. Ausgehend von den irisierenden Landschaften und Stillleben Paul Cézannes – "Er war unser aller Vater!" (Picasso) –, entwickelte Picasso eine Darstellungsform, die geschlossene Körper aufbrach und antinaturalistisch verdrehte. Im "Analytischen Kubismus" (1908–1912) war nicht mehr klar, von welcher Seite das Licht kommt. Die Bildgegenstände waren scheinbar aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig zu sehen. Mit dem "Synthetischen Kubismus" (1912–1916) trieben Picasso und auch Georges Braque das Bild weiter in Richtung Abstraktion. Hier betritt die Ausstellung mit ihren Gegenüberstellungen wirklich Neuland.

Kann es sein, dass der Keim des Kubismus schon bei El Greco zu finden ist? Wir betrachten den Manieristen durch Picassos Augen. Plötzlich wirken El Grecos Wolkenformationen zerzauster, die Gewänder brutaler verknittert, die Hell-dunkel-Kontraste extremer. Die Flächen sind zersplittert, Körper nicht mehr ganz. El Greco auf dem Sprung in die Moderne.

So sind in der Ausstellung "Picasso – El Greco" zwei Künstler neu zu entdecken: Der eine tritt aus dem Halbschatten der Kunstgeschichte – El Greco war nie so gefeiert wie Michelangelo, Caravaggio, Velázquez, Rembrandt, wahrscheinlich zu Unrecht. Und der andere wird auf überraschende Weise in ebendieser Geschichte verortet. Er platzte vor Selbstbewusstsein, doch seine künstlerischen Wurzeln hat er nie verleugnet.

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Kunstmuseum Basel
Foto: Julian Salinas

Kunstmuseum Basel

Das Kunstmuseum Basel ist das älteste öffentliche Kunstmuseum der Welt – schon 1661 machte die Stadt Basel erstmals eine angekaufte Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Heute besitzt das Kunstmuseum Basel über 300 000 Werke aus sieben Jahrhunderten. In mittlerweile drei Häusern – dem 1936 entstandenen Hauptbau, dem Museum für Gegenwartskunst von 1980 und dem 2016 eröffneten Erweiterungsbau – zeigt es seine Sammlungspräsentationen und Wechselausstellungen.

Weitere Ausstellungshighlights 2022:

Brice Marden: "Inner Space", Neubau, bis 28. August

"Fun Feminism", Gegenwart, ab 24. September

"Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe 'entarteter' Kunst", Neubau, ab 22. Oktober