Zwischennutzung von Theoriebrachen: Die Athen-Biennale im Parkdeck

Der betonierte Küstenstreifen zwischen Athens Zentrum und dem Hafen in Piräus würde stark an postapokalyptische Großstadtfilme erinnern, wäre da nicht die grelle Sonne: Seit den Olympischen Spielen steht alles voller Stadien, dazwischen verkehren moderne Bahnen, und nirgendwo sieht man Menschen. Kunst kann da ja sehr belebend wirken, und die Athen-Biennale wäre nicht die erste, die stadtplanerische Probleme lösen soll. Warum muss aber ausgerechnet ein Parkhaus beim Taekwondo-Stadion als Kunstlocation wiederauferstehen? Sicher nicht wegen seiner Qualitäten als Ausstellungsraum. Die erdrückende Deckenhöhe kann nur eine ironische Pointe zum Biennale-Thema „Heaven“ sein.


Trotz einer beeindruckenden Liste von Kuratoren bleiben nur wenige Dinge wirklich positiv in Erinnerung: Cay Sophie Rabinowitz’ Wiederentdeckung der Fotoarbeiten von Ettore Sottsass ist darunter, die er in den späten 60er-Jahren von seinen aberwitzigen Architekturperformances in der freien Natur angefertigt hat. Hier ist wenigstens ein bisschen Himmel sichtbar als Raum für fliegende Gedanken. Im Gegensatz zu Chus Martínez’ „World Question Center“. Sie hängt die ohnehin schmerzhafte Parkdeckarchitektur voll mit unsinnlicher Seminarkunst – bei dieser Zwischennutzung von Theoriebrachen gewinnt allein die Rigips-Industrie. Zuflucht vor so viel Tristesse bieten allein die Videokabinen, in denen es streckenweise gelingt, das Drumherum zu vergessen – wenn denn der Beamer funktioniert.


Die jungen griechischen Künstler ziehen das Niveau weiter nach unten: Kaum einer scheint thematisch oder ästhetisch an aktuelle Diskurse angeschlossen zu sein, trotzdem wirken die Arbeiten bemüht „contemporary“. Die Übersinnlichkeitsshow „Hotel Paradies“ der Kuratorin Nadja Argyropoulou versammelt Arbeiten zu Geistern und Tod, viele davon in historisierender Schwarz-Weiß-Ästhetik. Inhaltlich ein interessanter Nebenschauplatz der Kunst, vielleicht, aber was hat das mit uns, mit dem Heute zu tun? Einzig Paul Chans Computertastatur mit Grabsteinen als Tasten steht mit einem Bein in der Gegenwart und wirkt darum viel intelligenter als Robert Kusmirowskis lebensgroßer Styroporgruselfriedhof unter Neonröhren, der lächerlich ist wie der verlassene Drehort eines Heavy-Metal-Videos. Toter geht’s nicht.

 

 

Athen-Biennale, bis 4. Oktober