Unerwartete Wendung einer Reise

Altertümer im Gepäck: Deutscher vor Gericht im Irak 

Für den Irak zählen archäologische Stücke zum wichtigsten Kulturgut. Zwei davon werden nun im Gepäck eines deutschen Touristen entdeckt. Die Entdeckungstour im Zweistromland endet für ihn und einen Briten mit der Festnahme am Flughafen – und mit dem Tod des Reiseleiters

Im Internet verspricht der Reiseveranstalter besondere Erlebnisse, etwa bei Besuchen im Irak oder Afghanistan: "Wir wollen unseren Gruppen das kulturelle Gefühl vermitteln für die Gegenden, die wir besuchen", schreibt der Anbieter Hinterland Travels, etwa in "antiken Ruinen und Stätten sowie Bergen und Wüsten". Aber für einen 60-Jährigen aus Berlin ist der Besuch im Irak zum Alptraum geworden. Er sitzt wegen des mutmaßlichen Schmuggels antiker Schätze in Bagdad im Gefängnis und könnte zum Tode verurteilt werden. Ein Urteil könnte im Juni fallen, aber auch erst Wochen später.

Für den Deutschen ist es der erste Besuch in dem Wüstenland. Die etwa zehnköpfige Gruppe erlebte die Straßen und Märkte von Bagdad sowie eine Reihe archäologischer Sehenswürdigkeiten. Der Irak hat zwar gelitten in Jahren des Kriegs und dem Kampf gegen Terroristen, viele Gegenden sind touristisch kaum oder nur schlecht erschlossen. Wer trotzdem anreist, wird aber belohnt mit einem Blick in eine 7000 Jahre alte Geschichte: Nahe der Flüsse Euphrat und Tigris entstanden erste Hochkulturen, Babylon und Assyrien etwa oder Sumer, wo die ältesten Schriftstücke der Menschheit gefunden wurden.

Artefakte aus diesen antiken Stätten sind für den Irak - ähnlich wie etwa für Syrien oder Ägypten - wertvolles Kulturgut. Diebstahl und Schmuggel werden streng bestraft. Als nun bei einer Kontrolle am Flughafen von Bagdad insgesamt 32 Artefakte in vier Gepäckstücken der Reisegruppe auftauchen, wird der Berliner zusammen mit einem Briten festgenommen. In Bagdad erschienen die beiden mit Handschellen und in gelben Häftlingsanzügen vor Gericht. Es ist die unerwartete Wendung einer Reise, bei der auf tragische Weise auch der 85 Jahre alte Gruppenleiter nach einem Schlaganfall ums Leben kommt.

"Im Freien, unbeschützt und ohne Warnschilder" gefunden

Anwalt Mohammed Kubirli hofft, dass der Richter vom Todesurteil absehen wird. Die zwei Stücke, die im Koffer des Deutschen gefunden wurden, gehörten einem anderen Touristen, sagt er. Die Objekte seien außerdem "direkt vom Boden" eingesammelt worden und "insgesamt sehr klein", sagt Kubirli der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Tochter des Briten sagt der Nachrichtenseite "Middle East Eye", die Gruppe habe die Bruchstücke "im Freien, unbeschützt und ohne Warnschilder" gefunden. Die Stücke sollen aus den Stätten Uruk und Eridu stammen, etwa drei Autostunden südlich der Hauptstadt Bagdad.

Der illegale Handel mit antiken Schätzen aus Nahost bedeutet für die Schmuggler ein Millionengeschäft, ermöglicht durch politische Unruhen und Konflikte. Nach dem US-Einmarsch im Irak im Jahr 2003 stürmten Plünderer etwa das Nationalmuseum und raubten schätzungsweise 15 000 Artefakte. Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verkaufte solche auf dem Schwarzmarkt, als sie große Gebiete im Irak und in Syrien kontrollierte. In Ägypten wurden Museen und Ausgrabungsstätten etwa während und nach der Revolution von 2011 geplündert.

Mit dem Steinchen, das Touristen womöglich am Gehweg einsammeln und als Souvenir im Gepäck verschwinden lassen, sind diese Raube nicht vergleichbar. Der Deutsche habe überhaupt nicht gewusst, dass es sich bei den Objekten in seinem Gepäck um Altertümer handle, sagt Kubirli. Vor einem Urteil sollen diese nun genauer untersucht werden. Der Berliner kann seinem Anwalt zufolge regelmäßig mit seiner Familie telefonieren. Er werde auch konsularisch betreut, teilt ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin mit. Todesurteile werden im Irak nur noch selten vollstreckt, ihm könnte also auch lange Haft drohen.

Reise mit unschönem Ausgang

Für Geoff Hann, Leiter und Inhaber von Hinterland Travel, wurde die Reise mit unschönem Ausgang die letzte Tour. Laut seinen Weggefährten war er ein unermüdlicher Weltenbummler, der sich auch von "weniger erforschten Orten" wie Afghanistan oder Syrien nicht abschrecken ließ. Ein Facebook-Post von Anfang März zeigt auf einem Foto, wie Hann einen antiken Tempel besucht - mit grauweißem Haar und Gehstock.

"Am Ende einer wundervollen Reise erlitt er einen Schlaganfall und liegt jetzt in einem Krankenhaus in Bagdad, unfähig, zu sprechen, Meilen von zu Hause entfernt und allein", hieß es in einer Online-Kampagne, um Spenden für seine Evakuierung zu sammeln. Das Geld kam zu spät, Hann starb noch in Bagdad.

Offenbar wurden die Steinchen im Gepäck der Reisegruppe auch für den 85-Jährigen zum Problem: Der Richter verweigerte ihm die Ausreise, weil er zu den Vorwürfen gegen seine Klienten befragt werden sollte - obwohl er nach dem Schlaganfall nicht sprechen oder gehen konnte. So jedenfalls schrieb es seine enge Freundin Tina Townsend-Greaves, die häufig mit Hann gereist war. Die Facebook-Seite des Reiseanbieters hat sich inzwischen in ein Kondolenzbuch verwandelt.