Ars-Viva-Preis in München

Die absolute Gegenwart im Museum

Kritisch, politisch und am Puls der Zeit: In München überzeugt die Ausstellung der Ars-Viva-Preisträger Leyla Yenirce, Paul Kolling und Shaun Motsi

Wie sähe eine Ausstellung aus, die die absolute Gegenwart ins Museum holt? Vielleicht so wie "Holy. Energy. Masters" im Haus der Kunst: Leyla Yenirce, Paul Kolling und Shaun Motsi, die zwischen 1989 und 1993 geborenen Gewinnerinnen und Gewinner des Nachwuchspreises Ars Viva, der vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI vergeben wird, haben eindringliche Arbeiten für die Münchner Räumlichkeiten entwickelt.

Im Treppenhaus der Südgalerie ist Leyla Yenirces Klanginstallation "Holy Water" zu hören. Die Soundcollage setzt mit einem BBC-Interview ein: Im nordirakischen Lalisch lassen sich jesidische Frauen, die durch den sogenannten Islamischen Staat sexuelle Gewalt erlitten haben, erneut taufen, um wieder Teil der Gemeinschaft zu werden. Yenirce, im kurdischen Qubîn geboren, nimmt die Wiedertaufe zum Ausgangspunkt für eine Art Synthesizer-Klangbad. Die Installation stellt die traumatischen Ereignisse nicht dar, sondern evoziert sie nur. Umso eindrucksvoller sind die inneren Bilder, die beim Zuhören entstehen.

"Energy", die Arbeit von Paul Kolling, erkundet die undurchsichtige Energiepreisbildung. Dazu hat der Künstler die Fensterfronten der Europäischen Energie Börse (EEX), deren Hauptetage sich im 23. Stock des City-Hochhauses in Leipzig befindet, in den Raum hineingebaut: eine sperrige, mit Fotografien bedruckte Textilkonstruktion. Den unsichtbaren Mechanismen hinter dieser Architektur geht ein Film nach, der den Energiemarkt als Maschine zeigt, dafür Bilder wie das Perpetuum mobile findet, allerdings vor allem neue Unverständlichkeiten produziert.

Shaun Motsi beschäftigt sich in seinem faszinierenden Kurzfilm "Masters" mit rivalisierenden Wissenskulturen. Anhand seiner Hauptfigur, eines Schwarzen unabhängigen Filmemachers, verdeutlicht er die Konkurrenz, die akademisches Wissen durch das neue digitale Expertentum zum Beispiel in Form von Online-Edutainment-Platt­formen erfahren hat. Seinen Film hat Motsi als Comedy beschrieben, allerdings mischt er Thriller, Horror und Drama hinein. Bemerkenswert, dass sich der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft jedes Mal mit so kritischen und politischen Werken zeigt.