Künstlerin Charlie Stein über Geländewagen

"SUVs provozieren als Symbol"

Kunst auf vier Rädern: Für ihre Ausstellung "Paraworlds" zeigt die Künstlerin Charlie Stein ihre Malerei auf Mini-Geländewagen – und erklärt im Interview, warum SUVs als Podest mehr über unsere Zeit verraten als jeder weiße Würfel

Was verbindet John Chamberlain, Gordon Matta-Clark, Ant Farm und Erwin Wurm? Sie alle haben das Auto als Ausdrucksmittel künstlerischer Auseinandersetzung gewählt. Ob zerknüllt, zerteilt, vergraben oder aufgeblasen – das Automobil gehört auf die Materialliste zeitgenössischer und moderner Kunst. Dem kapitalistischen Credo "Schneller, höher, weiter" folgend, werden die Vehikel sowohl auf der Straße als auch im Ausstellungsraum immer größer.

Bei Anne Imhofs "Doom" in New York standen Cadillacs in der Szenerie, Folke Köbberling stellte erst 2024 einen SUV aus Naturmaterialien in die Münchner Innenstadt. Und mit den BMW Art Cars, die seit 1975 von Künstlerinnen und Künstlern wie Andy Warhol oder Jeff Koons gestaltet werden, verschmelzen Geschwindigkeit und Ästhetik zum fahrbaren Kunstobjekt – eine Hybridisierung von Markt und Kultur, die die Maschine zum Fetisch macht.

Nun bringt auch die Künstlerin Charlie Stein SUVs in den Ausstellungsraum. Die Malerin ist in Schorndorf (sowohl ihrem als auch Gottfried Daimlers Geburtsort), um dort ihre Einzelausstellung "Paraworlds" vorzubereiten. Die Bilder, die darin zu sehen sein werden, sind auf ungewöhnlichen Podesten aufgebaut: geschrumpften Versionen von Mercedes-Benz-G-Klasse-SUVs. Sie transportieren die Werke buchstäblich und symbolisch. Wir haben dazu mit Stein gesprochen.


Charlie Stein, in der Ausstellung "Paraworlds" zeigen Sie Ihre Gemälde auf Miniaturen von Mercedes-Benz-G-Klasse-SUVs. Ungewöhnliche Präsentation oder installative Anordnung?

Eigentlich war es eine pragmatische Überlegung. Ich wollte die Bilder nicht einfach an die Wand hängen oder auf den Boden stellen. Klassische Podeste schienen mir zu statisch, zu museal. Irgendwann kam die Idee, die Bilder auf etwas Beweglichem zu präsentieren. Die Autos, die jetzt in der Ausstellung sind, können theoretisch fahren, aber dafür müssen die Sensoren aufwändig programmiert und das Personal geschult sein. Die Vorstellung, dass die Werke potenziell mobil sind, hat mich gereizt. In der Kunstwelt erreicht die Kunst ihr Ziel häufig in LKW und Transportfahrzeugen, die Sammlerinnen und Sammler hingegen im VIP-Shuttle, SUV oder im Learjet. Hinzu kommt, dass diese Miniatur-Autos eigentlich für Kinder gedacht sind.

Anfang Mai war in Stuttgart ein schwerer Unfall mit einem SUV in den Schlagzeilen. Ein Fahrer fuhr offenbar aus Versehen in eine Gruppe Menschen, eine Person starb, fünf weitere wurden verletzt. Auffällig oft wurde dabei nicht nur über den Unfall selbst, sondern explizit über das Fahrzeugmodell, einen Luxus-Geländewagen, gesprochen. Hatte dieser Umstand Auswirkungen auf die Ausstellung?

Ich habe das sehr bewusst verfolgt. Es war, als würde allein die Tatsache, dass es ein SUV war, den Unfall bereits bedeutend machen – als wäre das Modell selbst Teil des Narrativs von Macht, Kontrollverlust und urbaner Bedrohung. Diese mediale Codierung ist genau das, was mich interessiert: Die G-Klassen in meiner Ausstellung sind nicht bloß Miniaturen von Luxusautos, sondern symbolische Träger all dieser Ambivalenzen. Sie stehen für Status und Schutz, aber auch für eine latente Aggression, für Raumaneignung und die Möglichkeit des Scheiterns – auf der Straße wie im System. Tatsächlich gab es nach dem Unfall auch vor Ort eine Diskussion darüber, ob es angesichts der Aktualität angemessen sei, die Installationen zu entfernen. 

Aber Sie haben sich dagegen entschieden?

Ich denke, dass gerade diese Unsicherheit noch einmal verdeutlicht, wie stark das Objekt SUV aufgeladen ist – und wie sehr es sich zwischen Kunst, Politik und Öffentlichkeit bewegt. Natürlich lässt sich so ein Ereignis nicht rein symbolisch betrachten – das menschliche Leid, das mit dem Unfall verbunden ist, bleibt erschütternd und steht für mich außerhalb jeder künstlerischen Deutung. Gerade deshalb ist es wichtig, Räume zu schaffen, in denen wir über Verantwortung und Sichtbarkeit sprechen können – auch mit den Mitteln der Kunst.

Trotz der alltäglichen und wie in diesem Fall tödlichen Gefahr, die von diesen Autos ausgeht, bezeichnen manche Erwachsene ihre Fahrzeuge als Spielzeuge. Gleichzeitig machen SUVs ganze 42 Prozent aller jährlichen Neuwagenregistrierungen aus.

Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit waren sie für mich als Vehikel der Präsentation und Sichtbarmachung geeignet.

Sie haben sich für SUVs entschieden, nicht etwa für Cabrios. Womit begann Ihr Interesse an ausgerechnet diesem Modell?

SUVs sind eine Art Statussymbol. Sie stehen für Macht, räumliche Vereinnahmung und auch für einen gewissen Schutzanspruch. Gleichzeitig haben sie in der Popkultur eine interessante Doppeldeutigkeit: Auf der einen Seite verkörpern sie Dominanz, zumeist männliche, auf der anderen Seite werden sie gerade von Künstlerinnen oder Musikerinnen auch subversiv genutzt – als Symbol der Aneignung von Raum und Stärke.

Das klingt wie der Versuch, sich ein eigenes Territorium in der Ausstellungspraxis zu schaffen.

Ja, genau. Es geht um Raum und um die Frage, wie man sich selbst darin positioniert. Ein SUV ist kein Mittel der Bescheidenheit. Er will gesehen werden, beansprucht Platz. Diesen Anspruch wollte ich als Sockel für die Gemälde verwenden – als Fundament, aber auch als Irritation.

Ihre Autos fahren aber nicht – warum?

Ja, das wäre großartig! Tatsächlich wollte ich, dass die Autos sich bewegen, aber das war aus versicherungstechnischen Gründen nicht umsetzbar, weil die G-Wagen-Miniaturen nicht als Kunstobjekte deklariert werden konnten. Die Idee, dass Kunst buchstäblich mobil ist, hat etwas Faszinierendes. In reduzierter Form bleibt diese Möglichkeit irgendwie im Raum stehen – selbst, wenn sie dieses Mal nicht realisiert wird.

Merkwürdig, dass ausgerechnet an dieser Stelle versicherungstechnische Komplikationen auftreten. Dabei gibt es doch von kinetischer Kunst bis Readymade alle möglichen Objekte, die als Kunst gelten.

Sagen Sie das mal der Versicherung.

Sehen Sie selbst in der Präsentationsart einen Bruch mit den Konventionen der Malerei? Immerhin holen Sie die Bilder von der Wand …

Für mich sind das eher installative Setzungen, die mit Bewegung spielen. Skulpturen haben statische Kapazitäten, während diese Präsentation eher flüchtig bleibt. Es ist eine Art Rahmung, nur keine feste.

Wollen Sie mit dem Modell bei den Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern eine bestimmte Reaktion provozieren?

Schon. Mir ist klar, dass die SUVs als Symbol polarisieren. Aber gerade das interessiert mich. Diese Fahrzeuge stehen für so vieles: Männlichkeit, Macht, Dominanz – aber auch für Schutz und Status. In den Arbeiten geht es darum, wie diese Bedeutungen sich verschieben, wenn sie in einen Kunstkontext überführt werden. Gleichzeitig sind es auch Miniaturen von etwas, das per Definition "sehr groß" ist. Mir gefällt dieses visuelle Oxymoron.

Wie äußert sich der symbolische Machtanspruch von SUVs?

SUVs gelten als männlich konnotiert – aggressiv, raumgreifend. Zu den ausgelösten Assoziationen eröffnen sich Bilder wie die Cadillac-Escalade-Flotte von Donald Trump oder Jeeps, die aus dem Ukraine-Krieg kommen oder in ihn ziehen. Gleichzeitig sehe ich viele Künstlerinnen, die dieses Bild umdrehen und das Auto als Symbol der Selbstermächtigung nutzen. Erst im März war ich bei Anne Imhofs "Doom" in New York, wo die Cadillac Escalades prominent einbezogen wurden. Und in der Popkultur – bei Shirin David oder Snow Tha Product – sind SUVs Teil einer neuen Selbstbehauptung.

SUVs sind einerseits der Nachfahre der Kutsche und gleichzeitig die Hybridisierung von Funktion und Ästhetik: einst landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, die heute die knappe Anzahl innerstädtischer Parkplätze verbarrikadieren.

Unsere Gegenwart ist gekennzeichnet von Ambivalenz, die es auszuhalten gilt. Einerseits sind die Spuren des naturgeborenen Vorgängers noch heute existent: Wir sprechen von PS – Pferdestärke – oder von der Blechkutsche. Wie beim Reiten von Pferden bewegt sich auch das Autofahren zwischen Freiheit, Selbstbestimmtheit und Fetischisierung. Gleichzeitig haben sich sowohl Pferd als auch Auto im Licht ihrer jeweiligen Gegenwart von einem Luxusgut zu einem massentauglichen Produkt gewandelt. Pferde waren irgendwann nicht nur berühmten Feldherren vorbestimmt, sondern wurden in der Landwirtschaft sowie im Transportwesen unumgänglich.

Der französische Philosoph und Soziologe Jean Baudrillard schrieb, dass in dem Moment, in dem ein Paar, gebildet aus Mann und Frau, einen Tanz ausführt, eigentlich das Pferd fehlt.

Heute könnte das Auto fast nahtlos diese Stelle füllen.

Apropos Rückbesinnung. Auch Sie kehren mit dieser Ausstellung zurück, nämlich zu Ihrem Geburtsort. Hat das einen besonderen Hintergrund?

Es hat sich zunächst einfach ergeben. Während der Ausstellungskonzeption hat es jedoch zunehmend an Einfluss gewonnen. Aus dem einfachen Grund, dass Gottfried Daimler hier in Schorndorf geboren ist. Als Heranwachsende war man von diesem Namen durchdrungen – selbst eine Bar heißt hier Daimler-Eck –, und trotzdem habe ich mir in der Fahrschule während meines Auslandsjahres in den USA im Alter von 16 Jahren bei der Frage "Wer war der Erfinder des Automobils?" die Blöße geben müssen. Als alle Mitschüler "Henry Ford" als Antwort gaben, habe ich mein sozialisiertes Wissen verworfen. Natürlich war Daimler korrekt – aber es war eine spannende Lektion, wie schnell man das Vertrauen in das eigene Wissen verliert, wenn sich die Mehrheit in ihrer vagen Vermutung einig ist.

Könnte das in Schorndorf als Provokation wahrgenommen werden?

Ja – oder als Hommage.

Nun sprachen wir ja fast nur vom Mittel zum Zweck. Inwieweit passen denn Ihre Werke konkret zu diesen Themen?

Manche der Werke greifen einzelne Aspekte direkt auf, wie das Bild "Horse Power", ein gummiartiges Pferd, das zerschmilzt. Abstrakter formuliert verhandeln mehrere meiner Bilder, wie sich die Gesellschaft wandelt, basierend auf der Technologie, die sie entwickelt und hervorbringt. Und bei anderen Werken, wie beispielsweise dem drei Meter hohen "God Mode", transportieren sich vor allem emotionale Aspekte und gesellschaftliche Zustände: der internalisierte Gottkomplex.

Es ist interessant, dass nicht die Autos ausgestellt werden, sondern sie vielmehr als Podest für das fungieren, was ausgestellt wird. Sie stellen die Messe-Logik der Autovermarktung auf den Kopf.

Das kann ja nur damit zusammenhängen, dass ich früher neben dem Studium auf solchen Messen gearbeitet habe. Aber ja: Plötzlich stehen nicht Frauenkörper neben dem Auto, um es zu vermarkten, sondern das Auto rollt daher, um, zumindest teilweise, die Frauenkörper in den Bildern zu vermarkten. What goes around comes around.