Autor Michael Köckritz

"Coolness ist ein Lebensgefühl"

Der Journalist und Markenberater Michael Köckritz hat ein Buch über Coolness geschrieben. Hier verrät er, warum er Banksy für einen coolen Künstler hält und ob das Konzept der eiskalten Eleganz nur für Männer funktioniert
 

Michael Köckritz, was bedeutet Coolness für Sie? 

Die Begriffe Coolness und cool stehen heute ebenso inflationär wie unscharf für alles, was irgendwie lässig, hip, begehrt und im Trend ist. Alles soll cool sein, alle wollen cool sein. Irgendwie. Coolness ein umworbener Universalstempel und wolkiges Sehnsuchtsphänomen zugleich. Das ist der eine, der offensichtliche Aspekt. Sieht man einmal genauer hin, erkennt man, dass Coolness für eine Kulturtechnik-prägende zeitlos-moderne Erfahrung steht. 

Wie zeigt sich diese Zeitlosigkeit? 

Coolness fasziniert uns als wunderbar selbstbewusste Attitüde und als stilsichere Ästhetik. Der Kern liegt in einer authentisch gelebten Autonomie und Freiheit. Distanz und Selbstdistanz spielen mit der rebellischen Note von Coolness zusammen. Menschen, Marken und Produkte werden als cool erlebt, wenn sie mit einem eigenen Wertesystem ihre eigenen Vorstellungen leben, und zwar so, dass sie dabei keine moralischen Grundätze verletzten. Mut, Unabhängigkeit und die inhaltsgetriebene Herausforderung des Status Quo werden geschätzt, aber immer nur im Rahmen des gesellschaftlich akzeptierbaren. Cool begegnet man den Dingen ruhig, mutig und freundlich abgeklärt. Unwichtiges blendet man aus. Man nimmt gewisse Dinge ernst, aber nicht sich selbst. Denn wer augenzwinkernd selbstironisch über sich und eine überempfindliche, auf- bis überregte Welt herzlich lachen kann, lebt Coolness bereits als entspannte Haltung.

Und im Gegenteil: Was ist so richtig uncool? 

Uncool ist alles Angestrengte, wie etwa eine selbstverliebte Prahler- oder Besserwisserei oder Empörungsdiskussionen. Das Anstrengungslose ist ein elementarer Aspekt des Zustandes: cool. Selbstherrlichkeit ist dabei zutiefst unerwünscht. Besser, man lebt Understatement – und eine trockene Unerschütterlichkeit. Coolness erleben wir oft als nahbar unnahbar. Dieses Phänomen belebt die Attraktivität und Magie von Coolness wesentlich. Der Philosoph Hermann Lübbe spricht hier prägnant von "Verblüffungsfestigkeit". Reichtum, Ehre oder Macht sind kein Thema, Neid und Gier unbekannt. Schließlich hat man seine eigenen Prioritäten. In der Zielorientiertheit steht hier das Charisma für etwas, was Solomon Snyder, Neurowissenschaftler an der Johns Hopkins University, das audacity principle nennt – die Überzeugung von der eigenen Mission, gegen alle Widerstände. Das Charisma eines coolen who cares?! 

In Ihrem Buch ziehen Sie Parallelen zwischen Coolness und Eleganz. Was macht den Unterschied aus?

Coolness reduziert gerne auf das Wesentliche. Modische Effekte und überhaupt Effekthascherei sind nie das Thema. So resultiert oft ein ästhetischer Stil, der erkennbar selbstbewusst und minimalistisch auf den Punkt kommt. Eleganz ist in so einem Fall ein konsequenter Effekt. Interessant ist auch, dass sowohl die Coolness als auch die Eleganz eine Unabhängigkeit von Situationen und physischen Bedingungen beschreiben. Das Elegante ist ein Als-ob-Phänomen, etwas erscheint so, als würden die Gesetze der Physik für diese Sache nicht gelten. Eleganz und Coolness sind so gesehen ein wunderbares Zwillingspärchen. 

Viele Marketing-Strategien setzten auf Coolness, gerade teure Luxusmarken spielen damit. Kann man sich Coolness kaufen? 

Das Attribut ist für Marken natürlich ein begehrtes, wertvolles Etikett. Für coole Marken geben Konsumenten besonders gern und enorm viel Geld aus. Kein Wunder also, dass Coolness gerade Marketingprofis fasziniert. Eine coole Automarke mit coolen Autos ist beispielsweise ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Umso interessanter ist es, dass man Markencoolness konzeptualisieren und eine Reihe relevanter Merkmale identifizieren kann, die coole von uncoolen Marken unterscheiden. 

Was sind diese Merkmale?

In dem übergeordneten Strukturmodell lassen sich definierte Attribute wie etwa ikonisch, außergewöhnlich, energiegeladen, hochrangig, subkulturell, ästhetisch ansprechend und beliebt ideal zuordnen. Nur kann man Coolsein nicht einfach erzwingen, nach Schema produzieren oder gar kopieren. Coolness gibt es nicht nach Direktiven – oder zumindest nach fast keinen. Sie wird gelebt und behauptet, aber nie als Hauptereignis der Erscheinung. Das Anstrengungslose ist ein elementarer Aspekt des Zustandes. Cool ist man – oder man ist es leider nicht. Entweder echt – oder echt peinlich. Wer cool sein will, hat schon verloren. 

Sie sagen also: Man kann gar nicht selbst dafür sorgen, cool zu sein? 

Man kann nur von anderen als cool bewertet werden. Der Eindruck manifestiert sich in relevanten Zusammenhängen. Coolness ist ein sehr persönliches Wahrnehmungsphänomen. Authentizität ist auch hier entscheidend.

Marken wie Rolex versprechen trotzdem die ultimative Coolness – das hat auch etwas mit Luxus zu tun, oder? 

Coolness wirkt als ein extremes Statussymbol. Zu den definierten Coolness Attributen gehören: bedeutend, außergewöhnlich, originell und rebellisch. Alles Eigenschaften, die den Träger vom Durchschnitt abheben. Coolness distanziert sich mit einer eigenen Exzellenz und Qualität in Verbindung mit einer unaufgeregten Selbstverständlichkeit von den profanen Dingen und den Mainstream-Erregungsmustern der Allgemeinheit. Coolness ist wie Luxus eben nie normal.

Ist Coolness ein Konzept, das sich irgendwann abnutzt? 

Das glaube ich nicht. Coolness ist ein Lebensgefühl, das unaufgeregt Freiheit atmet. Ein Wert von zeitloser Gültigkeit. Die größte Gefahr für eine Marke, die als cool erlebt werden möchte ist, dass sie sich an Moden orientiert. Das wirkt nämlich angestrengt und damit eben überhaupt nicht cool. 

Sie stellen in ihrem Buch coole Produkte vor: von der Lederjacke bis zum Surfbrett, aber auch ein Apfel ist dabei. Was macht ein Objekt cool? Und sind Birnen uncool?

Die Produkte, die hier als cool bewertet werden, verkörpern zeitlose, stimmige und elegante Dinge, die sehr gern mit Persönlichkeiten, Geschichten und Geschichten assoziiert werden. Na ja, und wer im größten Tohuwabohu geräuschvoll in einen Apfel beißt, steht sicht- und hörbar über den Dingen. Birnenesser gehen da im direkten Obstvergleich etwas unter. 

Sie nennen in ihrem Buch viele männliche Vorbilder, darunter Anouk Masson, Louis Vuitton oder sogar Cowboys. Denken Sie, dass Coolness ein männliches Konzept ist?

Coolness ist kein urmännliches Konzept. Man muss das im kulturhistorischen Kontext sehen. Die Rolle der Frauen bot lange weniger Freiheitsgrade als die der Männer, unsere Kulturgeschichte wurde vor allem von Männern geprägt. Stärke, Mut, Rebellentum und der Drang nach Freiheit waren in der Wahrnehmung überwiegend männlich assoziiert. Das hat sich zum Glück geändert. Frauen sind selbstbewusst, sie machen Karriere – und gehen unbeirrt ihren eigenen Weg. In meinem Buch feiere ich auch eine Vielzahl wunderbar cooler Frauen. 

Je bekannter ein Künstler, desto uncooler sei er. Das steht zumindest in einer, wenn auch nicht ganz ernst gemeinten Grafik in ihrem Buch. An anderer Stelle schreiben sie, wie cool Banksy sei. Er ist ja auch nicht gerade unbekannt. Warum ist Banksy trotzdem cool?

Weil er unbeirrt inhaltlich getrieben zu sein scheint und einfach sein Ding macht. 

Ist Coolness Ästhetik oder Attitüde?

Beides. 

Und zum Schluss. Sind Sie selbst cool? 

Nein, bin ich leider nicht wirklich. Wäre ich natürlich gerne. Mit meinem Buchprojekt wollte ich aber auch keine How-to-be-cool- Anleitung geben. Viel wichtiger war es mir, sich hier einmal sensibilisiert auf das Thema einzulassen. Mit etwas Glück merkt man dann auch, wenn man gerade wieder einmal blöderweise eher uncool unterwegs ist.