Statement von Taring Padi

Deutsche Reaktionen auf Documenta-Bild "ein Schock"

Werk von Taring Padi am Hallenbad Ost in Kassel. Das wegen antisemitischer Stereotype umstrittene Banner am Friedrichsplatz ist inzwischen abgehängt
Foto: Uwe Zucchi/dpa

Werk von Taring Padi am Hallenbad Ost in Kassel. Das wegen antisemitischer Stereotype umstrittene Banner am Friedrichsplatz ist inzwischen abgehängt

Nach dem Eklat auf der Documenta hat das für das Bild "People's Justice" verantwortliche Künstlerkollektiv Taring Padi den Vorwurf des Antisemitismus zurückgewiesen

Nach dem Antisemitismus-Eklat auf der Documenta Fifteen bleibt der Druck auf die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung hoch. Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) stellte am Freitag rasche Ergebnisse der Überprüfung der ausgestellten Werke in Aussicht. Zugleich wurden weitere Forderungen nach Konsequenzen und Aufarbeitung des Skandals laut. Das Künstlerkollektiv Taring Padi, dessen Bild im Zentrum des Skandals steht, wies Antisemitismus-Vorwürfe zurück.

"Wir haben als Gesellschafter der Leitung der Documenta gGmbH den Auftrag erteilt, alle gezeigten Werke im Sinne eines verantwortungsvollen Kuratierens zu überprüfen", erklärte Dorn auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Wiesbaden. "Diese Prüfung läuft, und wir erwarten, zeitnah über Ergebnisse informiert zu werden."

Es sei die Aufgabe und die Verantwortung der Generaldirektorin der Documenta, Sabine Schormann, aufzuarbeiten, wie es dazu kommen konnte, dass antisemitische Bildsprache auf der Ausstellung zu sehen war, betonte die Kunstministerin. "Aus dem Ergebnis dieser Klärung werden wir weitere Schlüsse für bessere Strukturen und klarere Verantwortlichkeiten zwischen vor allem der Geschäftsführung sowie den Kuratorinnen und Kuratoren sowie auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden und den Gremien ziehen können."

Dorn begrüßt Roths Vorschläge

Die Ministerin begrüßte zugleich die Vorschläge von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zur Überarbeitung der Strukturen der documenta gGmbH. Darüber habe sie sich mit Roth auch bereits ausgetauscht. Es habe bereits nach den finanziellen Problemen der 14. documenta Einigkeit unter den Gesellschaftern der documenta bestanden, zusätzlich zu Vertretern aus Kassel und der hessischen Landesregierung auch bundesweite und internationale Expertise in den Aufsichtsrat einzubeziehen.

Von mehreren Abgeordneten der Grünen-Bundestagsfraktion hieß es am Freitag, es gebe in der Fraktion viel Unterstützung für Roth. Niemand stelle in Zweifel, dass sie jede Form von Antisemitismus entschieden ablehne, sagte ein Fraktionsmitglied, das auf Roths am Vortag veröffentlichten 5-Punkte-Plan für die documenta verwies. Darin hatte die Kulturstaatsministerin unter anderem mehr Einfluss für den Bund sowie eine lückenlose Aufklärung gefordert, wie es zur Ausstellung antisemitischer Kunst kommen konnte.

"Wir sind keine Antisemiten"

Am Dienstag war das Banner "People's Justice" von Taring Padi wegen antisemitischer Bildsprache abgehängt worden. Das Kollektiv wies den Vorwurf des Antisemitismus zurück und zeigte sich zudem enttäuscht vom Krisenmanagement der Documenta-Leitung, wie der "Spiegel" berichtete. "Wir wussten nicht, dass unser altes Bild in Deutschland Gefühle verletzen würde. Es wurde schon oft auf Ausstellungen gezeigt. Wenn wir gewusst hätten, wie die Reaktionen sind, hätten wir es nie aufgehängt", sagten die Künstler dem Nachrichtenmagazin.

"Ich dachte, dass man als Künstler gerade in einem Land wie Deutschland, in dem Meinungsfreiheit herrscht, sich über mehr Grenzen hinwegsetzen darf", sagt Sri Maryanto, ein Kollektivmitglied, das laut "Spiegel" in München lebt und dort studiert hat. Die Ereignisse in Kassel und der Umgang damit seien für das Kollektiv "ein Schock". Und weiter: "Wir sind keine Antisemiten. Wir wissen nicht einmal, wer hier über uns urteilt. Wir lesen es nur in der Zeitung."

Die Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens erklärte: "Die Feststellung der Verantwortlichkeiten im Umgang mit antisemitischer Bildsprache und anderen judenfeindlichen Inhalten ist dringend notwendig." Es sei wichtig, "die Versäumnisse und Fehler bei Planung, Vorbereitung und Durchführung der Documenta klarzustellen und Konsequenzen zu ziehen".

Kasseler Oberbürgermeister schreibt Brief an Scholz

Derweil hat sich der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle mit einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) gewandt, nachdem dieser erklärt hatte, die Weltkunstausstellung nicht besuchen zu wollen. Der OB halte die Absage Scholz' für unangemessen, da so die Documenta "quasi unter Generalverdacht gestellt werde", zitierte die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" einen Rathaussprecher.

Ein Besuch des Bundeskanzlers ist kein fester Bestandteil des Documenta-Programms. Scholz hatte mit Blick auf den Antisemitismus-Eklat bei der Documenta erklärt, die Weltkunstausstellung nicht zu besuchen. Das Kunstwerk von Taring Padi hatte Scholz über eine Sprecherin als "abscheulich" bezeichnet.

Der Stadt-Sprecher erklärte auch, dass derzeit keine Aufsichtsratssitzung vorgesehen ist. Bei den Sitzungen des Gremiums, dem Vertreter der Gesellschafter Stadt Kassel und Land Hessen angehören, werden üblicherweise auch mögliche strukturelle oder personelle Veränderungen erörtert. Zuletzt hatte es Rücktrittsforderungen gegen die Generaldirektorin der Documenta Fifteen, Sabine Schormann, gegeben, die aber an ihrem Amt festhält.

Die Documenta erklärte am Freitag, man setze sich "sehr ernsthaft mit dem aktuellen Sachverhalt auseinander". Zur genauen Vorgehensweise, etwa bei der Überprüfung der ausgestellten Werke, machte eine Sprecherin keine Angaben und verwies auf die bereits am Vortag veröffentlichten Stellungnahmen.