Beyoncé und Jay-Z

Die Nofretete ist die neue Mona Lisa

Foto: Marcio Jose Sanchez/AP/dpa
Foto: Marcio Jose Sanchez/AP/dpa
Jay-Z und Beyoncé

Beyoncé und Jay-Z lassen sich auf ihrer Grand Tour wie im Vorbeigehen vor dem Kulturerbe Europas ablichten. Nun hat sich das einflussreichste Paar der Musikwelt das berühmteste Werk der Berliner Museumswelt vorgenommen

Die Mona Lisa ist abgehakt, aber berühmte Kunstfrauen gibt es in Europa glücklicherweise genug. Auf ihrer "On The Run II" Tour haben Beyoncé und Jay-Z nicht nur Stadien gefüllt, sondern auch ihre Spuren in der Museumslandschaft hinterlassen. Nachdem sie sich im Pariser Louvre mit dem Video "Apeshit" als neues Herrscherpaar der Kulturwelt inszeniert haben, statteten sie nach ihrem Konzert im Berliner Olympiastadion Ende Juni auch dem Neuen Museum und dem Bodemuseum einen Besuch ab. Auf ihrer Homepage veröffentlichte Beyoncé am Wochenende das Erinnerungsalbum "Thank you, Europe", in dem sich auch Fotos von der Berliner Museumsinsel finden. Ganz und gar nicht wie ein Freizeitschnappschuss wirkt das Bild mit dem wohl berühmtesten Kunstwerk des Neuen Museums, der Büste der ägyptischen Königin Nofretete. In ihrer inzwischen als Markenzeichen etablierten Hand-in-Hand-Pose posieren Mrs und Mr Carter in gelbem Wallekleid und Trainingsanzug aus dunkelrotem Samt ganz allein vor der Vitrine der ägyptischen Königin. Das Foto gleicht in der Anordnung dem inzwischen vielanalysierten Bild vor der Mona Lisa: Im Fokus stehen stolz die beiden Hip-Hop-Stars, die Kunst wird im Hintergrund zur Staffage. Wieder einmal sieht es aus, als müssten sich die Kunstikonen glücklich schätzen, mit Beyoncé und Gatte fotografiert werden zu dürfen.

Während das derzeit wohl einflussreichste Paar der Musikwelt den Louvre für zwei Nächte komplett angemietet hatte, fand der Berliner Museumsausflug nach Angaben der Staatlichen Museen während der regulären Öffnungszeiten statt. "Das ist das Schöne an Berlin", sagt Pressesprecher Markus Farr. "Hier ist so ein Besuch möglich, ohne dass es große Aufregung gibt." Ein paar Privilegien genossen die prominenten Gäste dann aber doch. Der eher beengte und meist gut gefüllte Nofretete-Raum wurde kurzzeitig für das Paar-Shooting geräumt. Auch das Bild selbst ist eine Ausnahme: Normalerweise ist Fotografieren verboten.  

Dass Beyoncé in Berlin die Nofretete besucht, passt zu ihrer Vorliebe für die Hauptgemahlin des Pharaohs Echnaton. Auf einer T-Shirt Kollektion aus dem Frühjahr 2018 inszeniert sie sich selbst im Nofretete-Stil, ihre Fans haben sie als "Queen Bey" längst zur Königin geadelt. 

Die vermeintlichen Freizeitfotos des Paares, das eigentlich auch gern das Kollosseum im Rom gemietet hätte, offenbaren ein Muster: Hier sind Trophäensammler am Werk. Vor den Kulturschätzen Europas stellt das Power-Paar ein neues schwarzes Selbstbewusstsein zur Schau. Während sich in der Mona Lisa jedoch das von einem weißen Mann gemalte Schönheitsideal einer weißen Frau manifestiert (das Beyoncé mit ihren Tänzerinnen pulverisiert), handelt es sich bei Nofretete um ein altägyptisches Ideal, wie es auch im Afrofuturismus immer wieder eine Rolle spielt. 

Mit ihrer Hommage an die Nofretete docken die beiden nebenbei an die Debatte um das koloniale Erbe in europäischen Museen an. Ägypten erhob mehrfach Anspruch auf die Büste, weil das deutsche Archäologenteam um Ludwig Borchardt die Regierung in Kairo 1912 über den Wert ihres Fundes im Unklaren gelassen habe. 2012 erklärte der Generaldirektor der Staatlichen Museen schließlich, dass die Verteilung nach damaligen Gesetzen völlig rechtmäßig abgelaufen sei und eine Rückgabe nicht in Frage komme. Auch das von Beyoncé gepostete Foto einer Benin-Bronze aus dem Bodemuseum weist darauf hin, dass die Themen Raubkunst und Restitution – die gerade durch den Marvel-Film "Black Panther" in die Popkultur gesickert sind – auf ihrer Agenda stehen. Der Tour-Ausflug nach Europa hat also einige Symbolbilder hervorgebracht: Ein Ehepaar des afro-amerikanischen Geldadels schreibt sich in die Geschichte der europäischen Herrscherkunst ein – und touchiert im Vorbeigehen auch noch die drängenden Fragen der hiesigen Museumslandschaft.