Londoner Galeristin Ellie Pennick

"Ich sehe, dass endlich ein Wandel stattfindet"

Ellie Pennick, Gründerin der Guts Gallery in London, setzt sich für gerechtere Strukturen in der Kunst ein. In einer Branche, in der Machtgefälle und Intransparenz üblich sind, will sie einen Safe Space für Künstler schaffen

Fairere Strukturen in der Kunstwelt sind eine Forderung, die immer öfter in der öffentlichen Diskussion auftaucht. Die Documenta Fifteen mit ihrem Lumbung-Prinzip hat es sich zur Aufgabe gemacht, solidarischem Wirtschaften eine Plattform zu geben; Künstlerinnen wie Sung Tieu, Marianna Simnett und Verena Issel verhandeln die etablierten Strukturen ebenfalls neu. Auch die Art Basel führte vor einigen Jahren zum ersten Mal ein Gleitpreismodell ein, das jüngere und kleinere Galerien fördern soll.

Wie exklusiv die Kunstwelt sein kann - dass es also gute Gründe für den Wunsch nach Veränderung gibt -, erlebte auch Ellie Pennick, Gründerin der Guts Gallery in London. Nach ihrem Bachelor, den sie in der britischen Hauptstadt am Chelsea College of Art absolvierte, wollte sie ihre Ausbildung mit einem Master in Bildhauerei am Royal College of Art fortsetzen. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel musste sie diesen Plan jedoch aufgeben. Diese Situation wurde Ausgangspunkt für ihre eigene Galerie. Mit dieser will sie Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform geben, die von etablierten Strukturen benachteiligt werden.

"Eine Galerie ins Leben zu rufen, war viel mehr eine Notwendigkeit, als ein persönliches Bedürfnis", erklärt die 26-Jährige gegenüber Monopol. "Die Kunstwelt spiegelt die soziopolitische Realität wider, die unverhältnismäßig diejenigen begünstigt, die sowieso privilegiert sind, also nicht von rassistischer Unterdrückung, Ableismus, Geschlechter- und Klassendiskriminierung betroffen."

Dringliche Ausgangslage

Die Undurchsichtigkeit des Kunstmarkts begünstigt laut Pennick die Ausbeutung von Künstlern – eine Ausgangslage, der sie etwas entgegensetzen wollte. "Künstlerinnen und Künstler stellen den Kern der Kunstwelt dar. Galeristinnen und Kunsthändler sind lediglich die Vermittler," sagt sie. Damit Kunstschaffende besser bezahlt werden, nimmt Ellie Pennick mit Guts Gallery einen geringeren Prozentsatz an Provisionen als in der Branche üblich. Außerdem stelle sie den Künstlerinnen und Künstlern keine exklusiven Verträge aus. Auftragsvergaben durch andere Galerien erfolgen zu deren Bedingungen.

Die Guts Gallery legt das Augenmerk vor allem darauf, Kunstschaffenden, die strukturell benachteiligt sind, Freiraum und Autonomie zu gewähren. "Wir haben eine Gemeinschaft geschaffen, die barrierefrei ist", sagt Ellie Pennick. "Einen Safe Space für offenen Dialog, in dem wir gemeinsam Verantwortung übernehmen." 

Guts lehnt es ab, Künstler zu "vertreten", wie es in der Kunstwelt verbreitet ist. "Wir haben nicht die Absicht, im Namen von jemandem zu sprechen, vor allem, wenn wir keinen Einblick in ihre persönlichen Erfahrungen haben. Die Künstler verfügen über starke, klare Stimmen und können für sich selbst sprechen." Stattdessen will sich die Galerie für sie "einsetzen". "Das bedeutet, dass wir ihnen einen Raum für Möglichkeiten bieten, Ratschläge geben und sie unterstützen, indem wir ihre Anliegen und ihre Arbeit begleiten und verteidigen". So erläutert die Galeristin den Unterschied zwischen dem englischen represent und dem von Guts verwendeten champion.


Damit Pennick ihre Mission nicht aus den Augen verliert, nimmt sie sich nach eigener Aussage jeden Monat Zeit zur Reflektion: Hält man sich an die gesetzten Maßstäbe und das eigene Ethos? Was kann man noch besser machen? Die Galeristin betont, dass es ihr wichtig ist, ständig im Dialog zu bleiben. Sie möchte andere ermutigen, es ihr gleichzutun – für Veränderungen, die man in der Kunstwelt sehen möchte, und die sich nicht von selbst ereignen.

Wichtig hierbei, das zeigt die Guts Gallery, ist ein anpassungsfähiges Geschäftsmodell. Während der Corona-Pandemie beispielsweise hat Pennick nach alternativen Möglichkeiten gesucht, Nachwuchskünstler zu unterstützen. In "When Shit Hits the Fan Again", einer Ein-Tages-Ausstellung auf Instagram, zeigte die Galerie nicht nur junge, sondern auch etabliertere künstlerische Positionen. Wenn ein Kunstwerk von einem etablierten Künstler verkauft wurde, gingen 50 Prozent des Umsatzes an den beteiligten "Nachwuchs". Diese Umverteilung des Gewinns setzt auf solidarisches Wirtschaften und versucht, sich mit dem Patenschafts-Schema an einem Modell, das im Wesentlichen von Künstlern für Künstler funktioniert.

Dass Guts sich für Veränderungen einsetzt und einen inklusiven Ort für verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen schaffen möchte, spiegelt sich unter anderem auch in dem Ruheraum wider, der Besucherinnen und Besuchern seit kurzem zur Verfügung steht. Dieser wird vor allem während Ausstellungseröffnungen in Anspruch genommen und ermöglicht es, kurzzeitig von der Menschenmasse wegzukommen. Auf diese Weise soll Rücksicht auf zum Beispiel körperlich eingeschränkte und neurodivergente Menschen genommen werden.

Taten sprechen definitiv lauter als Worte

Auf die Frage, ob viele der inklusionsorientierten Initiativen, die in den letzten Jahren von Museen und Galerien losgetreten wurden, nicht einfach eine weitere Art des "Whitewashings", also nur symbolische Kosmetik an einem bestehenden System, sind, antwortet sie lediglich knapp: "Es gibt nur begrenzt viel PR-Marketing, das man ohne Taten durchziehen kann. Wenn es eine Sache gibt, die ich in den letzten Jahren gelernt habe: Taten sprechen definitiv lauter als Worte.“

Was die Entwicklungen in ihrer Branche angeht, ist die junge Galeristin hoffnungsvoll: "Ich habe gesehen, dass neue Galerien mit einem ähnlichen Ethos gegründet wurden und weiterhin gegründet werden, besonders in London", sagt sie. "Das ist erfrischend, und ich habe das Gefühl, dass endlich ein Wandel stattfindet – auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben."