Urheberrechtsstreit um August-Sander-NFTs

Etappensieg ohne Gewinner

Im Gerichtsverfahren um mehr als 10.000 verschenkte August-Sander-NFTs haben die VG Bild-Kunst und die SK Stiftung Kultur aus Köln ihre Berufung zurückgezogen

Was als großer Coup geplant war, drohte in einer mittleren Katastrophe zu enden. Am 10. Februar 2022 verschenkte der Fellowship Trust über die Verkaufsplattform OpenSea die NFTs, die der Galerist Julian Sander von 10.396 Kontaktabzügen seines Urgroßvaters August Sander angefertigt hat. Laut Sander war die Aktion ein enormer Erfolg: Innerhalb von nur 26 Minuten hätten alle NFTs einen neuen Besitzer gefunden und wurden auch direkt gehandelt. Nach einem Monat wurden so rund 400 Ether – das entsprach zum damaligen Zeitpunkt etwa einer Million Euro – umgesetzt, doch dann nahm OpenSea die NFTs offline. Oder, um genauer zu sein: Die mit den NFTs verknüpften Abbildungen von August Sander waren auf OpenSea nicht mehr sichtbar.

Der Grund: Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst hatte im Auftrag der SK Stiftung Kultur der Sparkasse Köln-Bonn eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil sie die bei ihnen liegenden Urheberrechte verletzt sahen: Nach Ansicht der VG Bild-Kunst hätte Julian Sander von der SK Stiftung Kultur eine Nutzungserlaubnis einholen müssen, weil dieser die Bilder öffentlich zugänglich gemacht habe.

Dem widerspricht Julian Sander allerdings. Da an die NFTs auch die ihnen zugrunde liegenden physischen Kontaktabzüge geknüpft seien und jeder Besitzer eines NFTs somit auch den entsprechenden Kontaktabzug geschenkt bekommen beziehungsweise erworben habe, sei dies durch die Schrankenbestimmung im Urhebergesetz legitimiert. Im Klartext bedeutet das: Alles, was ich zum Kauf anbiete, darf ich auch öffentlich zeigen – unabhängig davon, ob ich die Nutzungsrechte an dem Werk besitze oder nicht.

Wissen um das Sander-Gesamtwerk zugänglich zu machen

In erster Instanz wurde die Klage vor dem Landgericht Hamburg allerdings bereits im Juni 2022 abgewiesen. Nicht jedoch, weil das Gericht Julian Sander inhaltlich Recht gab, sondern aus rein formalen Gründen: Das Gericht hat es nicht als erwiesen angesehen, dass die VG Bild-Kunst überhaupt die Rechte der SK Stiftung Kultur vertreten dürfe.

Gegen dieses Urteil hatte die VG Bild-Kunst Berufung eingelegt, doch bei der Verhandlung Ende Mai 2023 hatte sie diese Berufung nun zurückgezogen. Bereits einen Tag danach waren die NFTs samt der Abbildungen auf OpenSea wieder abrufbar und wurden auch wieder gehandelt. Aktuell prüfen die VG Bild-Kunst und die SK Stiftung Kultur, wie sie weiter vorgehen werden, denn in der eigentlichen Angelegenheit habe das Gericht bislang nicht entschieden.

Julian Sander selbst möchte die Angelegenheit aktuell nicht kommentieren, doch in der Vergangenheit hat er bereits mehrfach Stellung bezogen und erklärt, dass es ihm mit der Aktion vor allem darum gehe, das Wissen um das Gesamtwerk seines Urgroßvaters zugänglich zu machen. Der 1964 verstorbene August Sander gilt als einer der wichtigsten und einflussreichsten Porträtfotografen überhaupt. Die SK Stiftung Kultur in Köln hat 1992 das August -Sander-Archiv mit mehr als 10.500 Negativen und 5.500 Originalabzügen erworben.

Faire Beteiligung der Kunstschaffenden

Nicht dazu gehörten allerdings die Kontaktabzüge, die August Sanders Enkel Gerd Sander 1984 von den Glasnegativen angefertigt hat. Diese wurden nummeriert und in Aktenordner sortiert. "Jede weitere Information, die mein Vater zu den einzelnen Bildern gefunden hat, hat er dahinter abgeheftet oder notiert. Diese Aktenordner sind also nichts anderes als eine analoge Datenbank, mit der er bis zu seinem Tod im Jahr 2021 aktiv gearbeitet hat", erklärte Julian Sander in einem Interview im vergangenen Jahr. In Form von NFTs möchte er dieses Wissen Historikern und Interessierten zur Verfügung stellen.

Gleichzeitig profitiert Sander aber auch vom Handel mit den NFTs: 7,5 Prozent des Umsatzes landen bei ihm, 2,5 Prozent beim Fellowship Trust. Aber auch hier sieht sich Sander in einer Vorreiterrolle: Mittels der Blockchain-Technologie und NFT könnten Kunstschaffende endlich von steigenden Preisen bereits verkaufter Arbeiten profitieren und an Weiterverkäufen ihrer Kunst fair beteiligt werden.