Fashion-Director Ras Baun Bartram

"Kunst braucht Mode eigentlich gar nicht"

Ras Baun Bartram
Foto: Freja Wewer

Ras Baun Bartram

Mit 20 Jahren wurde der dänische Stylist Ras Baun Bartram Anfang des Jahres neuer Fashion Director des Berliner Magazins und Modelabels 032c. Ein Gespräch über seine Generation, über Kunst und Mode

Gen Z ist so berühmt wie berüchtigt. Und mit Pionierinnen wie Greta Thunberg, die mit 19 Jahren bereits auf eine lange Laufbahn zurückblicken kann, auch eine der ambitioniertesten Generationen. Für sie scheint es keine Grenzen zu geben. So auch nicht für den Dänen Ras Baun Bartram. Mit 20 Jahren wurde er Anfang 2022 zum Fashion Director des Berliner Magazins und Modelabels 032c ernannt. Zuvor war er Stylist des jüngsten Musikvideos von Ye, wie Kanye West sich jetzt nur noch nennt . Im Interview erzählt Ras Baun Bartram, wie ein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl zur Motivation wurde und wie sich Kunst durch seine gesamte Arbeit zieht.

Ras Baun Bartram, Ihre Karriere mit nur 21 Jahren ist beeindruckend. Was hat Sie motiviert, schon früh auf einer so professionellen Ebene zu arbeiten?

Ich habe mit 13 Jahren angefangen zu arbeiten. Aber damals bestand es hauptsächlich daraus, mit den Designer-Freund:innen meiner Mutter nach der Schule abzuhängen. Das Umfeld, dem ich in der Schule ausgesetzt war, hat mich nie wirklich befriedigt. Weshalb ich mich immer ein bisschen als Außenseiter gefühlt habe. Es gab einen Spielplatz in der Schule, und dann gab es meinen eigenen Spielplatz. Der war mein Zuhause und setzte sich aus Zeichnen und der Gestaltung erster Kleidungsstücke zusammen. Ich musste mir meinen Spielplatz eben einfach selbst suchen, und später dann auch die Leute, die mir dort Gesellschaft leisten. Es war schon ein wenig seltsam, da ich irgendwann mehr als doppelt so alten Menschen in ihren Ateliers assistiert habe. Mit 16, als ich in die weiterführende Schule kam, wurde ich noch genervter vom Schulsystem. Es gab keinen Raum für Kreativität. Deswegen habe ich dann einfach Schule geschwänzt, um Stylist:innen zu assistieren – der Punkt, an dem meine Arbeit richtig angefangen hat.

Haben Sie dabei jemals den Altersunterschied gespürt zwischen Ihnen und den Leuten, für die Sie gearbeitet haben?

Nie. Das ist der verrückte Part. Ich konnte mich nie mit Leuten meines Alters identifizieren. Ich glaube, dass viele der älteren Leute ihr jüngeres Ich in mir sehen konnten und mich deswegen besser verstanden haben. Teilweise kannten sie mich wahrscheinlich sogar besser als ich mich selbst.

Sie haben also mit 16 richtig angefangen, als Stylist zu arbeiten. Fünf Jahre später sind Sie Fashion Director von 032c. Wie kam es dazu?

Nachdem ich die Schule beendet hatte, habe ich alles getan, was ich konnte. Kopenhagen, wo ich damals vor allem gelebt habe, ist ziemlich klein. Wenn man also einmal seinen Fuß drin hat und gute Arbeit leistet, wird es leichter. Der Punkt, an dem sich diese Arbeit dann sehr sichtbar ausgezahlt hat, war letztes Jahr als ich für Ye gearbeitet habe. Es war immer noch Covid, also konnte ich nicht nach LA. Ich habe alle möglichen Formen von Creative Consulting und Styling für ihn gemacht, bis das dann dazu führte, sein letztes Musikvideo "Heaven and Hell" zu stylen. Dafür hatten wir ein kleines Atelier in Paris. Direkt danach bin ich mit 032c in Kontakt gekommen. Ich war in Florenz, bin in einen ihrer Pop-up-Shops reingelaufen und war im nächsten Schritt für einen Job gebucht. Mit Jörg und Maria Koch stimmte dann einfach die Chemie und wir haben uns entschieden, langfristig zusammen zu arbeiten.


032c kollaboriert häufig auch mit Künstler:innen. Welche Rolle spielt Kunst in Ihrem Leben?

Ohne Kunst könnte ich gar nicht leben. Für mich ist Kunst die die primäre Form der menschlichen Kommunikation. Vieles lässt sich in meiner persönlichen Arbeit auch auf Erlebnisse mit Kunst zurückführen, zum Beispiel Farbschemata, die ein Kunstwerk referenzieren, das ich irgendwo mal gesehen habe.

Ist dabei eher zeitgenössische oder historische Kunst eine Inspirationsquelle?

Ich interessiere mich vor allem für zeitgenössische und konzeptuelle Kunst. Jemand, der mich schon immer künstlerisch beeinflusst hat, ist Marina Abramović. Kunstwerke, die Provokationen für die Menschheit sind, sprechen mich an. Manchmal ist es dann bei Performances sogar interessanter, auf die Reaktion des Publikums zu achten als auf die Performance selbst. Andy Warhol und Yoko Ono faszinieren mich genauso. Mir hat schon immer Kunst, die Popkultur integriert, besonders gefallen. Ich kann bei mir ein Muster erkennen, dass ich "schöne" Kunst gar nicht unbedingt so "schön" finde, sondern dass ich mich auf provokative Kunst fokussiere und auf solche, die mit Brutalität spielt.

Als Teil der Gen Z gehören Sie zu einer besonderen Generation. Wie verändert diese die Arbeitswelt?

Der positivste Aspekt meiner Generation ist, dass ich trotz meines jungen Alters schon so weit gekommen bin, weil ich ständigen Zugang zu Bildung habe. Und zwar durch das Internet. Wenn ich früher nach der Schule nach Hause gekommen bin, habe ich nicht für den Unterricht gelernt, sondern mich über die Modeindustrie informiert. Deswegen konnte ich schon in der Mittelschule entscheiden, was für einen Beruf ich mal ausüben möchte, statt dieses Wissen erst während der Universität zu erhalten. Das Internet stattet junge Menschen mit der Möglichkeit aus, nicht dem folgen zu müssen, in was auch immer sie hineingeboren wurden, sondern durch die endlose Menge an Informationen selbst herauszufinden, was sie wirklich machen wollen. Selbstverständlich sind Leute auch oft skeptisch und fragen, warum ein 20-Jähriger diesen Job bekommen hat, aber ich lerne jeden Tag ungemein viel. Wenn man eine starke Vision hat, ist das manchmal wichtiger als 20 Jahre Berufserfahrung.

Was ist Ihre Vision?

Man sollte ein gutes Bauchgefühl haben und eine überzeugende kreative Vision. Dann kommt alles andere – Wissen mit eingefasst. Mein Arbeitsprozess ist auch immer sehr persönlich. Ich habe oft Looks gestyled, bei denen ich mich gefragte habe, wo das Konzept herkommt. Dann erinnere ich mich, dass das ein Kostum oder eine Zeichnung referenziert, die ich als Kind erstellt habe. Oder einen Song von Madonna oder David Bowie, den ich zum ersten Mal mit zwölf Jahren gehört habe. Es gibt definitiv auch performative Elemente in meinem Styling, zum Beispiel durch unpraktische Materialien, die man eigentlich nie tragen würde und die den Look auf eine Art und Weise auch unzugänglich machen.

Und was ist Ihre Vision für 032c?

Ich arbeite daraufhin, für 032c eine genuine Identität bezüglich der Ready-to-wear-Linie zu etablieren. Ich freue mich sehr darauf, Modeschauen zusammen mit Creative Director Maria Koch zu gestalten und eine Community aufzubauen. Eine gewisse Bildsprache, alle Schauen und jede kleinste Referenz, sollen Teil eines roten Fadens sein, der sich durch jede Kollektion zieht.

Braucht Kunst Mode mehr als Mode Kunst braucht?

Mode braucht Kunst mehr. Kunst braucht Mode eigentlich gar nicht. Mode ist Kleidung und die benötigt man nicht, um Kunst zu kreieren. Aber wirklich gute Mode ist eine Kunstform und arbeitet daher ähnlich wie bildende Kunst.