Kunstmuseum Bern

Gurlitt-Forschung dauert noch ein bis zwei Jahre

Als das Kunstmuseum Bern den Nachlass von Cornelius Gurlitt annahm, trat es ein schwieriges Erbe an. Rund zwei Jahre dauerte der Rechtsstreit um das Testament. Museumsprojekte und eine große Ausstellung mussten warten. Jetzt kann dort die Arbeit beginnen.

Fast zwei Jahre hat der Streit um das Erbe von Cornelius Gurlitt die Justiz beschäftigt; am Donnerstag hat das Oberlandesgericht (OLG) München den Streit um den Erbschein für beendet erklärt. Das Kunstmuseum Bern ist nach Auffassung des OLG rechtmäßiger Erbe - und damit fängt dort die Arbeit erst an, wie Marcel Brülhart, Vizepräsident der Dachstiftung des Kunstmuseums, im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt.

Ist das jetzt wirklich der Schlusspunkt der juristischen Auseinandersetzung? Oder kann noch etwas die Herausgabe der Bilder verzögern?
Marcel Brülhart: Die Ausstellung des Erbscheins und damit die Verfügungsgewalt über die Erbschaft kann grundsätzlich nicht mehr verhindert werden. Aber die Gegenseite könnte noch eine erbrechtliche Feststellungsklage anheben. Diese würde aber das Kunstmuseum nicht daran hindern, beispielsweise die geplanten Ausstellungen in Bern und Bonn durchzuführen.

Welche Werke gehen nun wann nach Bern?
Ein großer Teil der Werke ist inzwischen von ihrer Provenienz her erforscht und frei von Raubkunstverdacht. In diesem Konvolut finden sich hervorragende farbige Werke auf Papier und einzelne Gemälde von Hauptvertretern des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Unter den bislang noch nicht abschließend erforschten Werken befinden sich einzelne Gemälde vor herausragender kunsthistorischer Bedeutung, unter anderem ein wertvolles Gemälde von Paul Cézanne. Von zentraler Wichtigkeit ist uns, dass sämtliche Werke «ausgeforscht» werden. Das kann noch bis zu zwei Jahren dauern. Entsprechend werden abgeklärte Werke schrittweise nach Bern kommen oder restituiert werden. Wahrscheinlich ist, dass bei einer nicht geringen Menge an Werken weder Hinweise auf Raubkunst bestehen, die Provenienz aber nicht abschließend geklärt werden kann. Bei solchen Werken hat das Kunstmuseum ein Wahlrecht. Sicher ist, dass  - wenn wir solche Werke übernehmen würden und sich anschließend ein Raubkunstverdacht ergäbe - wir gemäß der abgeschlossenen Vereinbarung mit der BRD und Bayern nach der deutschen Auslegung der Washingtoner Erklärung restituieren würden.

Welche Bilder bleiben in Deutschland?
Mit Sicherheit Werke, die Raubkunst darstellen, oder solche, an denen ein Raubkunstverdacht nicht ausgeräumt werden kann. Zudem wird das Kunstmuseum Bern "entartete" Kunst großzügig an deutsche Museen ausleihen. Denkbar sind auch Dauerleihgaben.

In Bern wartet seit langem eine Provenienz-Forschungsstelle darauf, ihre Arbeit aufzunehmen. Wann wird sie loslegen und was genau wird sie tun?
Die diesbezüglichen Mittelzusagen sind an das Obsiegen in dem Verfahren gekoppelt. Entsprechend müssen wir zuerst auf die Rechtskraft des Urteils warten. Das Forschungsteam soll das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste (DZK) unterstützen. Die Bewertung der Forschungsergebnisse überlassen wir dem internationalen Expertenteam des DZK.

Wann wird die geplante Ausstellung in Bern und in der Bonner Kunsthalle stattfinden können? Können Sie auch inhaltlich schon etwas zu den Ausstellungsplänen sagen?
Mit dem Entscheid des OLG wird der Weg für die geplanten parallelen Ausstellungen in der Bundeskunsthalle Bonn und dem Kunstmuseum Bern frei gemacht. Das gemeinsam entwickelte Konzept hat einen zeitgeschichtlichen Fokus. Thematisiert werden der Umgang von totalitären Regimen mit Kunst, wie es zur Begrifflichkeit der "Entarteten Kunst" kam, welche Biografien eine Rolle spielten, insbesondere welche jüdischen Sammler Opfer des Kunstraubs und des Holocaust wurden. Und wie geraubte Werke später wieder zurück in die Museen und privaten Sammlungen gelangten.

ZUR PERSON: Marcel Brülhart ist Vizepräsident der Dachstiftung des Kunstmuseums Bern. Der promovierte Rechtsanwalt leitete die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern und dem Museum über den Umgang mit der Sammlung Gurlitt und war auch an dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München im Rechtsstreit um das Erbe maßgeblich beteiligt.