Mara Wohnhaas bei BQ
"Eine Runde noch! Steigen Sie ein!" Wie die Animateure auf dem Jahrmarkt klingen, hat wohl jeder im Ohr. Bei der Galerie BQ hat die junge Künstlerin Mara Wohnhaas die Doppeldeutigkeit des englischen Wortes "fair" – als Messe und Kirmes – wörtlich genommen und zeigt die Kabine eines Budenbetreibers als benutzbare Mischung aus Skulptur und Readymade. Wer ihre kurze Live-Performance verpasst, kann über Kopfhörer hören, was die Künstlerin selbst als Animateurin uns zuruft: ein hypnotisierendes, futuristisches, mit Musik gemixtes Gedicht. Eine sehr coole Motorrad-Version von Duchamps Fahrrad von Alexandra Bircken und eine versponnene Installation mit Film von Raphaela Vogel komplettieren den unkonventionellen Auftritt der Galerie.
BQ, Art Basel Galleries, Halle 2.1, Booth N1

BQ, Art Basel, 2025, mit Mara Wohnhaas' "Rekommandeur"
Basel Social Club
Drinnen Tätowierer, Sauna, gute Kunst in jeder Ecke – und draußen stehen die Leute Schlange: Der Basel Social Club hat in diesem Jahr einfach alles richtig gemacht. Das von einigen Leuten rund um den Galeristen Robbie Fitzpatrick, die Künstlerin Hannah Weinberger und die Kuratorin Yael Salomonowitz gegründete, verspielte Nebenevent zur Messe wechselt jährlich den Ort. Und während man sich im vergangenen Jahr auf den Wiesen vor der Stadt ein bisschen verlief, ist das ehemalige Bankgebäude in der Ritterstraße, mitten im Zentrum der Altstadt, nun die ideale Location für die überaus ambitionierte Ausstellung, die schon gleich ab der täglichen Eröffnung um 14 Uhr in eine Party zu kippen droht. Der Kulturmanager Klaus Littmann hat das verwinkelte Gebäude für mehrere Jahre als Zwischennutzung bekommen – und mit dem Social Club als Eröffnungsgast den denkbar besten Partner gefunden. Er selbst überrascht mit einer selbst zusammengetragenen Ausstellung in der Ausstellung, voller Kunstgeschichte von Degas bis Warhol – alles Originale –, während die Galerien drumherum das Thema Geld und Wertesysteme überaus originell durchspielen. Man könnte Tage nur hier verbringen.
Basel Social Club, Rittergasse 25, täglich von 14 bis 24 Uhr

Faisal Abdu’Allah, Basel Social Club, 2025
Judith Bernstein bei Kasmin
Der "Feature"-Sektor der Art Basel präsentiert kunsthistorische Positionen – und die Kasmin Gallery zeigt mit Judith Bernstein eine lange übersehene, unbedingt wiederzuentdeckende Künstlerin. Bernstein war in den 1970er-Jahren Gründungsmitglied der feministischen A.I.R. Gallery in New York und ein frühes Mitglied der Guerrilla Girls; die Verbindung von Sexuellem und Politischem ist ihr zentrales Thema. In Basel ist nun eine wuchtige Wandarbeit aus den 1990er-Jahren zu sehen, die bisher nie gezeigt wurde. "The Dance (After Matisse)" von 1993 transformiert den ikonischen "Tanz" von Henri Matisse: Zwei kühne, phallische Figuren tanzen über die Leinwand, von rechts nähert sich einer von Bernsteins masturbierenden "Active Shooters". Bernsteins In-Your-Face-Ästhetik ist geprägt von der AIDS-Krise und den Kulturkämpfen der 1980er-Jahre – einer Zeit, in der die dezente Erotik Matisses nicht mehr zu passen schien. Heute kann man diese Wucht wieder mehr als gut gebrauchen.
Kasmin, Art Basel "Feature", Halle 2.0, Booth D15

Judith Bernstein "One Panel Vertical", 1977-78
Ndayé Kouagou bei Nir Altman
Statements stehen hoch im Kurs auf der Messe – Absichtsbekundungen, Wünsche oder Aphorismen wie "I contain multitudes" von Mariella Senatore auf dem "Unlimited"-Sektor der Messe. "Come hell or high water" heißt ein Slogan von Superflex in Leuchtbuchstaben bei der Galerie OMR. Und sie sagen letztlich alle dasselbe: dass die Schau weitergehen muss, auch wenn man gerade nicht so recht weiß, wie. In Stein meißeln würde man das heute vielleicht nicht mehr – aber als Beschwörungsformel an die Wand hängen, durchaus.
"You’re in crisis, I’m in crisis, what should we do?" fragt der Sprecher in Ndayé Kouagous Videoinstallation, die den größten Teil der Koje der Galerie Nir Altman aus München einnimmt. Kouagou, 1992 geboren und in Paris lebend, zeigt hier eine der eindrucksvollsten Solopräsentationen der Sektion "Statements", in der neue Stimmen vorgestellt werden. Wie in einem Nachrichtenkanal – inklusive eingeblendeter Bauchbinde und Tickerlaufband – wird eine Straßenbefragung inszeniert. Eine junge Frau stellt Passanten Fragen: Wie schätzen sie die aktuelle Lage ein? Was halten sie davon, was "hier und anderswo" passiert? So unkonkret wie die Fragen sind auch die Antworten – "You know, I kind of predicted it" –, und trotzdem vermittelt allein die mediale Aufbereitung eine Dringlichkeit und Gegenwärtigkeit, der man sich kaum entziehen kann. Zumal, wenn das kollektive Gefühl einer Grund-Krisenhaftigkeit derzeit das ist, was uns alle verbindet. "I would love to tell you it’s ok", sagt das Gegenüber auf den neun Bildschirmen. "But it’s not."
Nir Altman, Art Basel "Statements", Halle 2.1, Booth M10

Ndayé Kouagou "A not that dirty mirror", 2025, Videostill
Martha Rosler bei Nagel Draxler
Die Politisierung der Kunst schlug sich selbst zu ihren Hochzeiten nur verhalten auf den großen Messen nieder – jetzt, nach dem reaktionären Backlash in den USA und anderswo, ist sie noch weiter auf dem Rückzug. Eine Ausnahme bildet Martha Roslers Installation "Diaper Pattern" von 1973, die die Galerie Nagel Draxler als Beitrag zur Sektion "Kabinett" auf die Messe gebracht hat – ein Unikat.
Es war die Zeit des Vietnamkriegs, und Rosler schrieb auf die Stoffwindeln ihres Sohnes Texte aus dem öffentlichen Diskurs über den Krieg: Zeitungsausschnitte, Zitate von Militärs, die den Rassismus entlarven, mit dem über die "Schlitzaugen" auf der anderen Seite gesprochen wurde, sowie den Zynismus, mit dem Bomben Kosenamen wie "Ananas" oder "Fauler Hund" bekamen. Schon in der öffentlichen Rede steckt die Menschenverachtung – das trifft damals wie heute zu.
Nagel Draxler, Art Basel "Kabinett", Halle 2.1, Booth R13

Martha Rosler "Diaper Pattern", um 1973
Nandi Loaf bei King’s Leap
Die Idee, dass Künstlerinnen und Künstler sich selbst zum Gegenstand ihrer Werke machen, ist nicht neu. Doch wie das dann aussieht – als Ansammlung von Zeug wie bei Florian Slotawa, als konzeptuelle Liste oder als Datensatz – sagt immer viel über die Zeit, in der das Werk entsteht. Der Gedanke, sich selbst zum künstlerischen Material zu machen, hat in Nandi Loafs Arbeiten einen durchaus kritischen Ton. Eine Neunkanal-Audioinstallation sendet mit einer männlichen Sprecherstimme in neunfacher Überlagerung absolut unverständliche Informationen: Aufzählungen aus Nandi Loafs persönlicher DVD-Sammlung, ihrer Sammlung von Funko-Pop-Figuren, Pressestimmen über sie – in verschiedenen Sprachen.
Diese unentzifferbaren Informationen hat sie zusätzlich auf einem Set von Mini-Discs gespeichert, einem veralteten Audio-Speichermedium, für das heute kaum noch Abspielgeräte zu finden sind. Die Datensammlung als technologischer Fetisch unserer Zeit wird hier visualisiert und erlebbar – formal faszinierend, inhaltlich vollkommen unbrauchbar und bei genauerem Hinsehen (und -hören) letztlich ohne jede Aussagekraft. Dabei formuliert Nandi Loaf, 1991 in Brooklyn geboren und in New York lebend, nicht nur eine Gesellschaftsdiagnose, sondern auch eine über ihre Rolle als Künstlerin: als jemand, der vom Markt, von der Öffentlichkeit in Besitz genommen werden soll. Bei King’s Leap bietet sie sich selbst an – als vollkommen abstrahierte, technisierte Version.
King's Leap, Liste, Hall 1.1, Booth 22

Nandi Loaf "nn-BSL", 2025
Barbara Kruger bei Sprüth Magers
"War Time, War Crime, War Game" – es geht ewig so weiter auf Barbara Krugers neuer Wandarbeit bei Sprüth Magers: so viele Kriege, so viele angebliche Kriegsgründe. Besser kann ein Kunstwerk kaum in die Gegenwart passen. Und auf einer Messe, die ansonsten eher vom Eskapismus geprägt scheint, ist es ein echtes Statement. Der Rest der Koje ist ein präzise kuratierter Gang durchs Galerieprogramm, von Kara Walker über Rosemarie Trockel und Andreas Gursky bis zu Pamela Rosenkranz – auf den Punkt.
Sprüth Magers, Art Basel "Galleries", Halle 2.0, Booth B19

Sprüth Magers, Art Basel, 2025
Rhea Dillon bei Soft Opening
In der Karibik stehen in vielen Küchen und Esszimmern die typischen Geschirrschränke mit Glastüren, in denen das Porzellan aufbewahrt wird. Rhea Dillon, 1996 in Großbritannien geboren, lehnt sich formal an diese Möbel an, wenn sie zierliche Glasvitrinen mit dunklen Holzrahmen für ihre Serie von Wandskulpturen verwendet. Die "Leaning Figures" darin sind Nachbildungen ovaler Servierplatten aus Kristallglas. Dillon hat sie nachgeformt und mit Melasse oder Erde aus Jamaika überzogen. Nun lehnen sie schräg oder diagonal in den Kästen aus Sapelli-Mahagonirahmen und Glas – wie Schiffseinbauten, vielleicht auch wie Särge. Eingeschlossen und nicht "ideal" platziert, imaginiert Dillon diese Objekte als Porträts Schwarzer Körper, die ruhen.
Dillon, die in Südlondon lebt, untersucht in ihren Film- und Installationsarbeiten oft die Merkmale ihrer eigenen Blackness. Sie sucht nach einem Ausdruck für karibische und britische Identitäten – und nach einer akzentuierten Stimme innerhalb der Schwarzen Diaspora. Ihre Materialien erzählen von kolonialer Geschichte: etwa wenn sie Sapelli-Mahagoni verwendet, jenes afrikanische Holz, aus dem auch Sklavenschiffe gebaut wurden, oder wenn sie mit Melasse arbeitet, dem klebrigen Rückstand der Zuckerproduktion. Zugleich zitiert ihre Formensprache Minimal Art und Abstraktion. Ihr Stand in der Sektion "Statements" wurde mit dem Baloise Art Prize ausgezeichnet – einem Geldpreis samt Ankaufsbudget und Schenkung an ein bedeutendes europäisches Museum.
Soft Opening, Art Basel "Parcours", Halle 2.1, Booth M9

Rhea Dillon "71°78'10.6"23°52'17.3"25: I", 2025
Thomas Bayrle im Kaufhaus Manor
1967 entwarf der Künstler Thomas Bayrle, damals spezialisiert auf Druckgrafik und Siebdruck, einen Regenmantel, der zugleich ein Kunstwerk war. Bayrles Thema war von Anfang an das Einzelne und das Viele: Die Bildmotive seiner Pop-Art entstehen aus zahllosen seriellen Einzelbildern, die sich zu einem Ganzen fügen. Die Kaffeetasse – Inbild deutscher Nachkriegsgemütlichkeit serviert in der Wohnstube zur guten Tasse Schonkaffee – war eines jener Elemente, aus denen er seine Raster zusammensetzte. Und eben dieses Motiv wählte er auch für den durchsichtigen Regenmantel. Ein Original aus den 1960er-Jahren mit der zeittypischen A-Form ist heute beispielsweise Bestandteil der Sammlung des MMK in Frankfurt. Und weil der Mantel auch 60 Jahre später immer noch so cool, poppig und witzig aussieht, hat vermutlich jeder schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, ihn anzuziehen.
Dass das nun möglich ist, hat die Galerie Neugerriemschneider zusammen mit dem Künstler für die Art Basel ermöglicht. Eine Wiederauflage des Vinyl-Mantels – mit aktualisiertem, etwas geraderem Unisex-Schnitt und in den drei Farben Weiß, Rot und Blau – ist als Edition im Art Basel Shop erhältlich. Der Warenlogik folgend und als Teil des Art Basel "Parcours" auch im Kaufhaus Manor an der Clarastraße. Schon das Bayrle-Schaufenster dort ist ein gelungener Beitrag zwischen Kunst und urbanem Alltag. Aber dass man den Mantel (für 900 Schweizer Franken) theoretisch auch wirklich tragen kann, schließt einen noch viel größeren Kreis: Denn nun können wir als Trägerinnen und Träger selbst zu Rasterpunkten im großartigen Universum des Thomas Bayrle werden – ganz so, wie er es sich 1967 vorgestellt hatte.
Neugerriemschneider, Art Basel Parcours, Kaufhaus Manor, Greifengasse 22
Alexandra Metcalf bei Ginny on Frederick
Standuhren heißen im Englischen "Grandfather Clocks" – schon der Name unterstreicht ihre patriarchale, autoritäre Machtsymbolik. Alexandra Metcalf hat vier antike Exemplare in hölzerne Porträts von Männern verwandelt, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielten – im Guten wie im Schlechten: Jackson, David, Peter, Frederick. Die 1992 geborene Britin hat die Uhrwerke entfernt und die entstandenen Leerstellen mit kleinen, theaterhaften Szenerien gefüllt: Mal ist es ein surreales Miniaturzimmer mit Teppichboden, dessen Op-Art-Muster an David Lynch erinnert; darin leuchtet eine Discokugel wie in einem Jugendzimmer – man darf sich ausmalen, was in diesen Räumen womöglich stattgefunden hat.
Auch Metcalfs Galerist ist in ein Uhrenporträt verwandelt: Im Inneren von "Frederick" prangen Fotos von Operndiven und eine Schallplattenhülle von "La Traviata" – offenbar neigt hier jemand zum Drama! Auch von außen erscheinen die Holzskulpturen, die in der "Statement"-Sektion der Art Basel gezeigt werden, weniger als Taktgeber denn als Opfer der Zeit: Sie wirken gebrechlich oder sind von der Künstlerin mit überdimensionalen Nadeln gepierct. Zwei von ihnen tragen am Rücken eine Neonröhre – eine subtile Anspielung auf Dan Flavin, den Obermacho der Kunstwelt. Humor, Zärtlichkeit, Gewalt, Verfall: Metcalfs Uhrenporträts vollziehen eine leise Geste der Ermächtigung. Niemand muss der Zeit sklavisch folgen – jeder darf in seinem eigenen Takt ticken.
Ginny on Frederick, Art Basel "Statements", Halle 2.1, Booth M8

Alexandra Metcalf "Assembly: Jackson, David, Peter, Frederick", 2025
Bruce Weber bei Buchholz
Bekannt ist Bruce Weber als "Starfotograf" für seine Mode- und Supermodel-Shootings, fünf Jahre in Folge gestaltete er auch den Pirelli-Kalender. Doch am Stand der Galerie Buchholz ist eine andere Seite des US-Fotografen zu entdecken. Im Auftrag des Magazins "GQ" fotografierte Weber in den 1970er-Jahren Football- und Rugby-Spieler. Aus den Aufnahmen blitzt sein feines Gespür für Farbe, das auch seine Modefotografien immer auszeichnete – vor allem aber spricht aus den Bildern braun gebrannter, schweißgetränkter, ineinander verkeilter Männerkörper eine Zärtlichkeit und Homoerotik, die in den Mainstreammedien lange Zeit verborgen bleiben musste. "You construct intricate rituals which allow you to touch the skin of other men" – so hat Barbara Kruger einmal ein Foto miteinander rangender Männer untertitelt. Webers Fotografien zeigen, dass das Rugbyspielen, diese vermeintlich so harte Männersportart, ganz offensichtlich auch zu diesen Ritualen zählt.
Galerie Buchholz, Art Basel "Galleries", Halle 2.1, Booth R7

Bruce Weber bei Galerie Buchholz