Möbelmesse IMM Cologne

Von Bauhaus bis Nowhouse

Mit neuen technischen Möglichkeiten, Produkte zu individualisieren, wächst auch die Unsicherheit: Für welches Design sollen wir uns entscheiden? Zum Glück gibt es eine Marke, die über alle Fragen erhaben ist: Das Bauhaus ist im Jubiläumsjahr auf der Kölner Möbelmesse allgegenwärtig. Ein Rundgang

Was für ein brachiales Möbelstück! Der "Billy Chair" des jungen, britischen Designers Joe Smith ist ein starkes Statement: fette Holzbalken, die von dicken Schrauben und Muttern zusammengehalten werden, dazu ein wuchtiges, gebogenes Stahlrohr, dessen Türkis-Ton an Memphis und Miami Vice denken lässt.

Das Ding hat in der Tat wenig gemein mit dem Ikea-Regal gleichen Namens, dessen Bretter sich mit den Jahren unter dem Gewicht unserer Design-Bildbände biegen. Zu sehen ist der Entwurf in Halle 3.1 der gerade eröffneten Kölner Möbelmesse, im Rahmen des "Pure Talents Contest", der junge Designerinnen und Designer vorstellt und wahrlich einen Besuch wert ist. Ausgezeichnet, völlig zu Recht, wurde hier der Leuchten-Entwurf "Baschnja" von Ilja Huber, und auch die kubische Holztier-Kollektion "A Day at Zoo" von Julian Marticke hat großen Charme.

Mit der Messe steht natürlich auch wieder Richard Hamiltons Frage im Raum: "Just what is it that makes today´s homes so different, so appealing?". Der britische Pop-Art-Künstler betitelte so seine berühmteste Arbeit, eine Collage. Was also macht unsere heimischen Räume so anders, so anziehend? Die Antwort ist nicht einfach, denn jede Messe ist ja selber eine verwirrende Collage aus highs & lows, und die Zeit der großen Trends längst vorbei. Es gibt nicht mehr die eine Farbe oder die eine Holzsorte, die plötzlich en vogue ist und das zeitgenössische Möbeldesign bestimmt. Jedes Sofa und jeder Stuhl ist heute in einer Vielzahl von Hölzern, Farben und Bezugstoffen erhältlich.

Mit den neuesten produktionstechnischen Möglichkeiten, Produkte zu individualisieren, wächst aber auch unsere Unsicherheit: Für was sollen wir uns denn jetzt bitte entscheiden? Zum Glück gibt es – gerade in diesem Jahr – eine Marke, die über alle Fragen erhaben ist. Die für uns da ist, wenn's gut werden muss: das Bauhaus. Gleich am Eingang der Messe sorgt ein historischer Parcours dafür, dass niemand das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum vergisst – falls das überhaupt möglich ist bei der aktuellen Fülle an medialen Beiträgen über die legendäre Institution. Und da steht er auch schon, der Barcelona Chair, über den sich einst Tom Wolfe in seinem wunderbar polemischen Essay "From Bauhaus to our house" lustig machte. Für dieses "Symbol einer göttlichen Mission" würden junge Paare lieber am Nötigsten sparen und die Windeln selber waschen als auf ihn zu verzichten, so Wolfe.

In Halle 2.2 auf dem Stand von Knoll International kann man das ikonische Möbelstück von Mies van der Rohe als limitierte Bauhaus-Jubiläums-Edition bestaunen. Erstmals in der 70-jährigen Geschichte der Möbelmesse ist Knoll in Köln vertreten, und gleich mit einem exorbitanten Exhibition Design von OMA, also Rem Koolhaas' Rotterdamer Studio. Koolhaas kontrastiert hier edlen  Marmorboden mit Farbstreifen, wie wir sie aus Turnhallen kennen, zitiert damit lässig Kippenbergers Rotterdamer Kafka-Installation und stellt verzinkte Stahlgitter und grüne Schaumstoffplatten vor wiederum marmorvertäfelte Trennwände. Die Botschaft ist klar: Die wilde Material-Collage soll die sakrosankten Entwürfe in die raue Gegenwart holen.

Aber damit nicht genug. Auf dem Stand von Tecta wird das Bauhaus zum "Nowhaus" deklariert, bei Tecnolumen steht eine "Silber Edition" der Wagenfeld-Leuchte, natürlich als Beispiel für zeitlos-gutes Design. Und bei e15, wo sonst Donald Judd als Vorbild für die minimalistischen Vollholz-Produkte des Unternehmens erkennbar ist, weist man mich auf "suprematistische Bezüge" bei einem neuen Sofatisch hin.

Bei soviel Vergangenheitsbewältigung ist eine von der Messe initiierte Präsentation namens "Future Design" in Halle 4.2 ganz erfrischend. Der argentinisch-schweizerische Designer Alfredo Häberli blickt hier weit in die Zukunft des Kochens und zeigt scheinbar nichts als leere grüne Regale. Erst nachdem man ein iPad ausgehändigt bekommt und damit runde Code-Aufkleber scannt, wird das Realbild von den Zukunftsvisionen überlagert: Kunst und Technik – eine neue Einheit.