Zum Tod des Designers Issey Miyake

Der Kleidermacher

Nachhaltig, geschlechtsneutral, ikonisch: Issey Miyake war seiner Zeit voraus und schuf optimistische Kleidung für die Zukunft. Jetzt ist der  japanische Designer mit 84 Jahren gestorben

Das vielleicht bekannteste, weil meist gesehene Kleidungsstück des Modedesigners Issey Miyake ist ein schwarzer Rollkragenpullover aus Polyester-Baumwolle. Zusammen mit einer Levis 501 und New-Balance-Sneakern gehörte er zum ikonischen Look des Apple-Gründers Steve Jobs und so des Silicon Valley. Um die 100 Miyake-Rollis füllten Jobs Garderobe, ein Kleidungsstück so pur und vielseitig, dass es ihn über Jahrzehnte hinweg begleitete. Genau so hatte sich Issey Miyake den Umgang mit Kleidung gewünscht.

Am 5. August starb der Designer Issey Miyake im Alter von 84 Jahren in einem Krankenhaus in Tokio, er hatte an Leberkrebs gelitten. "Miyakes dynamischer Geist wurde von einer unermüdlichen Neugierde und dem Wunsch angetrieben, durch das Medium Design Freude zu vermitteln", heißt es in dem Statement der Miyake Group. Und dass es auf Wunsch des Meisters weder Beerdigung noch Gedenkfeier geben werde. Wirbel um seine Person ging der Designer schon zu Lebzeiten aus dem Weg, blieb auffallend privat, ließ seine progressiven Entwürfe und Technologien für sich sprechen.

Issey Miyake wurde am 22. April 1938 in Hiroshima geboren. Dort überlebte er sieben Jahre später den Atombombenabwurf, doch entwickelte eine Knochenmarks-Krankheit, durch die er hinkte. Mehr als das sichtbare körperliche Ungleichgewicht gab Miyake nicht über diesen Tag preis. "Ich wollte nicht als 'der Designer, der die Atombombe überlebt hat' bezeichnet werden", schrieb er einmal in der "New York Times". Er zog es vor, "an Dinge zu denken, die geschaffen und nicht zerstört werden können und die Schönheit und Freude bringen. Ich habe mich für das Bekleidungsdesign entschieden, auch, weil es ein modernes und optimistisches kreatives Format ist".

"Ich mache keine Mode. Ich mache Kleidung."

Als Designer von Kleidung, nicht von Mode, wollte er betrachtet werden. Oft betonte Miyake diesen Unterschied: "Alles, was 'in Mode' ist, kommt zu schnell aus der Mode. Ich mache keine Mode. Ich mache Kleidung",  erklärte er 1998 der Zeitschrift "Paris Voice". Früh kreuzte Issey Miyake verschiedene kreative Bereiche. Nach einem Studium in Grafikdesign in Tokio ging er nach Paris, wo er sowohl für Guy Laroche als auch Hubert Givenchy arbeitete. Bald der Mode für die Reichen überdrüssig, gründete er 1970 in Tokio das Miyake Design Studio und begann, in Kunst, Design und Funktion ausbalancierte Kleidung zum Zentrum seiner Arbeit zu machen. Sich zurücknehmende, anspruchsvolle Entwürfe aus unerwarteten Materialien. "Ich interessiere mich am meisten für Menschen und die menschliche Form. Kleidung ist das, was dem Menschen am nächsten ist."

Und Kleidung bleibt Kleidung, wenn Mode schon längst last season ist. So war es sein ausgesprochener Wunsch, dass seine Kunden einen Sweater aus einer Kollektion von vor zehn Jahren mit einer Hose aus den aktuellen Entwürfen kombinieren können – oder einen schwarzen Rollkragenpullover über Dekaden tragen.

Seit dem Jahr 1985 präsentierte Miyake seine Kollektionen in Paris und wurde zusammen mit Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo von Comme des Garcons zur legendären japanischen Avantgarde, die der überladenen Gute-Laune-Mode der 1980er-Jahre eine einflussreiche Anti-Fashion entgegenstellte. Miyakes berühmteste und erschwinglichste Kleidungslinie "Pleats Please" etablierte er im Jahr 1993 als Antwort auf schwierig zu tragende und zu bezahlende High-End-Mode – sie wurde zu Miyakes Design mit dem größten Wiedererkennungswert. Die in Mikro-Falten gelegte Kleidung aus wärmebehandeltem Polyester knittert nicht, kann in der Waschmaschine gewaschen werden und stellte einen der ersten Entwürfe für geschlechtstneutrale Kleidung dar, die nach wie vor den Zeitgeist trifft und immer noch – oder schon wieder – von jüngeren Generationen in Vintage-Foren gejagt wird.

Technologie gegen die Überproduktion

Issey Miyake war ein Pioneer, der Form, Funktion und Material von Kleidung neu durchdachte und als einer der ersten Technologie-Lösungen gegen die Überproduktion fand. So entwickelte er Ende der 1990er-Jahre die Technik für die "One Piece of Cloth"-Methode, später "A-POC" genannt. Kleidungsstücke wurden hier aus nur einem Stoffschlauch gefertigt, was Abfall vermied – und auch die Grundidee hinter seinem Werk birgt: "Meine gesamte Arbeit entspringt der einfachen Idee, die auf die früheste Zivilisation zurückgeht: die Herstellung von Kleidung aus einem einzigen Stück Stoff. Das ist mein Kriterium. Ich glaube, dass alle Formen der Kreativität miteinander verbunden sind", erklärte der Designer vor einigen Jahren.

Diese Verbundenheit lässt sich auch an seinen Kollaborationen mit Künstlern und Kreativen aus unterschiedlichsten Branchen beobachten, ob Tänzer, Architekten oder Fotografen. In den späten 1980er-Jahren stand Miyake in einem dauernden Austausch mit Irving Penn, der seine Kleidung so fotografierte, "wie er sie sah". Kleidung und Kunst verknüpfte der Designer lange vor Marc Jacobs oder Alessandro Michele, so wurde etwa ein Miyake-Kleid aus Rattan auf der Kunstzeitschrift "Artforum" abgebildet, was Issey Miyake und sein Werk in den stets dynamischen Diskurs über den Platz von Mode in der Kunstwelt einbrachte. Heute befinden sich viele seiner Entwürfe in Museen, darunter in der Dauerausstellung des Museum of Modern Art in New York. Vor allem aber: Sie werden immer noch getragen.