Designer Jonathan Radetz

"Es geht um Transformation und Demokratie"

"Proof of Concept", Ausstellungsansicht, Kopenhagen, 2025
Foto: Julien Desvaux De Marigny

"Proof of Concept", Ausstellungsansicht, Kopenhagen, 2025

Die Designbranche diskutiert in Kopenhagen über die Rolle von Objekten und Handwerk in der Gesellschaft. Der Frankfurter Gestalter Jonathan Radetz denkt auch an die Form der Demokratie

In dieser Woche finden in Kopenhagen die 3 Days Of Design statt. Nach dem Salone del Mobile in Mailand ist dieses Event ein weiteres wichtiges Branchentreffen, das in einer Stadt abgehalten wird, die von produzierender Industrie geprägt ist. Verschiedene Marken zeigen neue Entwürfe, und verschiedene Ausstellungen versammeln eigenständige Designerinnen und Designer. Der Frankfurter Gestalter Jonathan Radetz hat eine Schau organisiert, die Gestaltung und Handwerk zusammenbringen will. Und die auf ein wichtiges Ereignis im nächsten Jahr hinleitet, das sich mit Demokratie und Design beschäftigt.


Herr Radetz, "Shifting Objects – Shifting Values" heißt Ihre Ausstellung in Kopenhagen, was ist das Konzept dahinter?

Ursprünglich wollte ich nur eine Ausstellung für mein Produktdesign-Studio organisieren und habe deswegen im letzten Jahr die deutsche Botschaft in Kopenhagen kontaktiert. Denn im Gegensatz zu anderen Botschaften gab es dort keine Veranstaltungen zu 3 Days Of Design. So bin ich in Kontakt mit der deutsch-dänischen Handelskammer gekommen. Darüber entstand dann Schritt für Schritt die Idee, dass deutsche und dänische Designjournalisten junge, aufstrebende Studios auswählen, die sich dann zusammentun und gemeinsam mit jeweils einem Handwerker aus der Rhein-Main-Region zusammenarbeiten und vier Prototypen entwickeln. Das heißt, das hier ist eigentlich nur eine Auftaktveranstaltung.

Man sieht noch keine fertigen Arbeiten?

Doch. Wir zeigen – neben einer Fotoausstellung von Ingmar Kurth, der seit 20 Jahren Handwerksdesign dokumentiert – bereits bestehende Arbeiten der eingeladenen Studios. Auch die Potenziale der beteiligten und von der Handwerkskammer ausgewählten Betriebe wie Steinmetze, Maßschneider oder Schreiner werden vorgestellt. Es gibt Videoarbeiten, Talks, Workshops. Aber die Teams werden sich erst hier bilden, und die gemeinsam erarbeiteten Projekte werden dann 2026 beim World Design Capital Frankfurt RheinMain (WDC) zu sehen sein. Die Initiative versucht, bei unterschiedlichen internationalen Veranstaltungen eine Einladung auszusprechen. Und wir sind jetzt sozusagen die Einladungen in Dänemark.

Der Titel World Design Capital wird alle zwei Jahre vergeben, ein Förderprogramm für Städte und Regionen, die darlegen, dass Designerinnen und Designer aus ihrer Region die Welt nachhaltig verbessern.

Im weitesten Sinne geht es da um "Design for Democracy". Darum, wie wir das Morgen gemeinsam gestalten können. Im Endeffekt geht es um Transformation und die Überlegung, wie wir es schaffen, Demokratie aufrechtzuerhalten. 

Ist denn Frankfurt am Main wirklich die Designhauptstadt von Deutschland und der ganzen Welt?

Nächstes Jahr auf jeden Fall. Also wir sprechen da über die gesamte Frankfurt-Rhein-Main-Region. 

Die Journalisten Markus Hieke, May-Britt Frank-Grosse, Johanna Nyborg und Susanne Holte haben die Designerinnen und Designer für Ihr Projekt vorgeschlagen. Wer ist dabei?

Aus Deutschland sind Studio Œ, Haus Otto, Studio Sarmite und Marie Luise Stein dabei. Und aus Dänemark Tanja Kirst, ReVærk Arkitektur, Form 22 und Anker Bak.

Marie Luise Stein aus Berlin forscht zu Materialien, Anker Bak zeigt eine Urne, die an eine alte Milchkanne erinnert. Gibt es ein Objekt in der Ausstellung, an dem sich die Idee des WDC gut erzählen lässt?

Das ist, was wir jetzt provozieren wollen. Ich hoffe einfach, dass wir nächstes Jahr vier Objekte zeigen werden, die genau das tun. Aber wenn man sich jetzt die Objekte anschaut, dann sehen wir Design mit einem starken konzeptionellen Hintergrund. Es geht um gesellschaftliche Themen. Haus Otto spielt mit dem Zaun und der Idee des Eigenheims. Also der Frage, wie wir gemeinsam leben wollen. Daraus resultieren große Fragen, zum Beispiel zu resilienten Städten. Saskia Hübner von Form 22 arbeitet zum Thema Klima-Kommunikation. Das hat nicht direkt etwas mit Demokratie zu tun, aber damit, wie wir mit Ressourcen umgehen. Und das, was die Globalisierung mit dem Kapitalismus, mit der Gesellschaft gemacht hat, betrifft indirekt auch Demokratien.