Berliner Künstlerporträts von Dale Grant

Noch geht's irgendwie

Der Fotograf Dale Grant hat für sein Buch "Face" Berliner Künstlerinnen und Künstler porträtiert. Dabei zeigt sich eine Szene, die immer mehr an den Rand gedrängt wird, aber trotzdem nicht die Hoffnung verlieren will

Ja, was denn nun, Hoffnung oder Verzweiflung? Alles ein bisschen unklar. Voller Ambivalenz lässt einen der Bildband "Face: The Berlin Art Scene" zurück. Dale Grant hat ihn zusammengestellt. Akribisch hat der Künstler/Mode-/Werbefotograf seine Modelle ausgesucht, hingestellt und hingesetzt und abgedrückt. Und da sind sie in ihren Ateliers, wenn sie denn noch welche haben, die Künstlerinnen und Künstler Berlins. Über 200 sind es hier im Buch. Und das sind ja längst nicht alle. Aber sie alle stehen für die Substanz dieser Stadt. Für resilientes Schaffen, für Geschichten und Recherchen. Und das ist doch wunderbar hoffnungsstiftend. 

Im Vorwort des Buches, das muss man hier nicht nur aus Transparenzgründen erwähnen, hat Elke Buhr, die Chefredakteurin von Monopol, davon geschrieben, wie lebendig die Berliner Kunstszene ist. Sie genieße international den Ruf eines Zentrums der Gegenwart. Hier sei die junge Kunst zu Hause, hier entstünden Werke für die Gegenwart. Und das könne man in den Galerien, Projekträumen und Ateliers der Stadt erleben.

Wir sehen Elmgreen & Dragset vor einem Bild, Rainer Fetting vor Ölfarben, Candice Breitz mit Statement-T-Shirt, Julius von Bismarck hinter Pflanzen, Gregor Hildebrandt mutmaßlich vor Dachbodenbalken, Martin Eder barfuß. Viele andere international renommierte Künstlerinnen und Künstler sehen wir nicht, dafür welche, die vielleicht vor allem der Szene vertraut sind. Wenn es denn diese eine Szene gibt.

Blühende Freiheit

Dale Grant, der schon in Paris, New York, Amsterdam und Berlin gelebt hat, sieht seine Porträts von Menschen ähnlich wie seine Porträtreihe von Blumen, für die er bekannt ist. "Wir werden als winzige Babys geboren, und wenn wir aufblühen und altern, nehmen unsere Gesichter die Merkmale dessen an, was wir erlebt haben - den emotionalen Schmerz, den wir empfunden haben, das Klima, in dem wir gelebt haben, die Freude, die uns zum Lächeln bringt." 

Und das führt natürlich zu der Frage, was diese Künstlerinnen und Künstler denn erlebt haben, was ihre frischen Gesichter zum Blühen und dann manchmal auch schon ein bisschen zum Verwelken gebracht hat? Vieles kann man sich vorstellen, sind ja auch nur Menschen. Anderes wird deutlicher in den Interviews von Farah Nayeri, die den Bildern beistehen und in denen die Porträtierten ihr Schaffen, die Kunst, aber auch die Stadt reflektieren. Erwin van Hoof sagt zum Beispiel: "Ein weiterer Monat, den man als Künstler überlebt hat, ist ein weiterer Monat, in dem man Freiheit atmet."

René Wirths bezieht sich auf den früheren Regierenden Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit und dessen Ausdruck "arm, aber sexy". "Die Bezeichnung macht viele von uns vor allem zu Improvisationskünstlern, die - nach dem Motto fake it till you make it - eigentlich immer auf Hoffnung setzen", so Wirths.

Hoffnung trifft Realität

Ja, das ist sie wieder, die Hoffnung, die einem irgendwie falsch vorkommt, wenn man an die Kürzungen und Streichungen denkt, die der Berliner Senat beschlossen hat. Daran, dass die Käufer und Käuferinnen der Künstlerinnen und Künstler letztere längst an den Stadtrand oder in andere Städte verdrängt haben. Weil die meisten eben nicht zu den Reichen gehören, weil das weder Berlin noch das System vorsieht. Und dann hat man ja noch nicht mal an die politischen Unverständlichkeiten gedacht, die diese Stadt und ihre Protagonisten gerade beschäftigen.

Vielleicht ist diese Ambivalenz der Grund, warum man ein Zitat der Künstlerin Hannah Hallermann an den Anfang gerückt hat. "Alles wird immer teurer", sagt sie. Eigentlich sagt sie "Shit is getting more expensive", und das kann man ja nun unterschiedlich übersetzen. Und dann sagt sie: "Die Meinungen werden immer polarisierter. Aber die crowd ist immer noch inspirierend." Und vielleicht ist das so mit Berlin und der Kunst: Noch geht’s irgendwie.