Wiedereröffnung des Düsseldorfer Kunstpalasts

Vom Rubens bis zur Aldi-Tüte

Jetzt ist klar, warum der Umbau des Düsseldorfer Kunstpalasts so lange dauerte: Im völlig transformierten Sammlungsflügel zeigt das Haus nun Werke in assoziativer Mischung. Und lässt den legendären Club Creamcheese auferstehen

Mit seiner Größe von 4,30 mal 2,84 Metern kommt der Rubens nun vollends zur Geltung. Das 400 Kilogramm schwere Gemälde ist eines der wenigen, das den Düsseldorfern aus der Sammlung ihres kunstbeflissenen Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz (1658 bis 1716) verblieb. Mit seiner Gemahlin Anna Maria Luisa aus der Familie der Medici, gründete dieser Anfang des 18. Jahrhunderts die erste öffentliche Gemäldesammlung auf deutschem Boden. 

Knapp 100 Jahre später mussten die Düsseldorfer die exquisite Renaissance- und Barock-Sammlung ihres "Jan Wellem" schon wieder abtreten. Ein Großteil der Gemäldegalerie ging 1805 als Erbschaft an die Wittelsbacher und wurde nach München verbracht, wo sie bis heute den Grundstock der Alten Pinakothek bildet. Wenige Ausnahmen blieben in Düsseldorf, wie besagter Rubens, der schlichtweg zu groß war, um ihn ungefährdet auf einem Pferdewagen nach München zu karren. 

Seine "Himmelfahrt Mariae" ist eines der Glanzstücke der insgesamt 130.000 Werke aus elf Jahrhunderten fassenden Kollektion des Kunstpalastes. Seit vergangener Woche ist das Bild mit 799 weiteren Sammlungsobjekten in einem neuen Arrangement zu besichtigen. 

Kein Stein auf dem anderen geblieben

Drei Jahre lang wunderte man sich ob der großen Baustelle im Düsseldorfer Ehrenhof, sah doch die Fassade des Westflügels während dieser Zeit stets so aus wie jetzt. Nach der Wiedereröffnung dürfte auch dem letzten Zweifler klar sein, warum der Umbau so lange dauerte. So wurde dieser Gebäudeteil – bis eben auf die denkmalgeschützte Außenfassade – innen komplett neugestaltet, Wände wurden eingebrochen, Decken gezogen und zwei Treppen gebaut, die in ihrer Spiralform an das Guggenheim Museum in New York erinnern. 

Im Zuge des Umbaus sei kaum ein Stein auf dem anderen geblieben, betont Joachim Sieber, dessen Architekturbüro den neuen Sammlungsflügel geplant und umgesetzt hat: "Es war eine besondere Herausforderung und Erfahrung, hier mit dem bestehenden Gebäudekorpus zu arbeiten, diesen jedoch im Inneren völlig neu zu denken", so der Architekt. 

Statt der ursprünglich sechs verschiedenen Bodenbeläge wurde ein einheitlich geweißtes Eichenholzparkett verlegt, wohingegen die Wände der Räume nun in dezenten Farben erstrahlen. Und schließlich gibt es ein neues Restaurant (Anna Maria), welches das etwas sterile Café im ersten Stock des Ausstellungsflügels ersetzt und auch von außen zugänglich ist. Das darüber liegende Belvedere bietet einen einmaligen Blick über den gesamten Ehrenhof bis hin zur Tonhalle. 

Kunst auf 5000 Quadratmetern

"Es ist ein weiter Bogen, den wir spannen, vom kostbaren Rubens bis zur Aldi-Tüte", sagt Generaldirektor Felix Krämer bezüglich der Neupräsentation der Sammlung: "Wir wollen die Lust am Schauen wecken. Der Besucher soll auf Entdeckungsreise gehen. Ein bisschen wie bei Alice im Wunderland". 

Zur Orientierung hilft ein chronologischer Rundgang, der sich durch die 44 Räume zieht. Zu sehen sind Objekte des frühen Mittelalters, Sammlungsschwerpunkte des 19. und 20. Jahrhunderts mit unter anderem der alten Düsseldorfer Malerschule (in Petersburger Hängung) bis hin zur neuen Düsseldorfer Schule rund um Joseph Beuys, Bernd und Hilla Becher und darüber hinaus. 

Auch angewandte Kunst wie Bauhaus-Design gibt es zu entdecken. Um ein modernes Museum zu schaffen, das möglichst viele Menschen unterschiedlichster Vorbildung anlocken soll, wurden nicht etwa einzelne Gattungen stoisch aneinandergereiht. Gemälde, Skulpturen, Installationen, Möbel und Mode sind gleichberechtigt nebeneinander präsentiert. 

Gegensätze finden zueinander

"Wir haben ein schönes Barockkleid gefunden, das mit einer Marmorbüste von unserer Gründungsmutter, Anna Maria de' Medici harmoniert“, erklärt Kuratorin Felicity Korn, die sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Westrey Page durch die Depots der Sammlung gearbeitet hat.

Entsprechende – vermeintliche – Gegensätze finden sich immer wieder in der Präsentation. So bei der Ritterrüstung, die vor einem altertümlichen Schlachtengemälde platziert ist. Oder bei dem Ölgemälde von Leo Poeten, das eine realistisch gemalte Frau im Stil der nationalsozialistischen Ideologie zeigt, während das daneben hängende expressionistisches Portrait von "Quappi", der Ehefrau Max Beckmanns, als "entartet" galt. 

Auch bei der Gegenwartskunst sind solche Kontraste auszumachen. Hans Op de Beecks graues Sofa etwa, mit einem zugedeckten, schlafenden Kind darauf, steht vor dem Interieur-Bild eines Wohnzimmers von Karin Kneffel, das das gleiche Grau enthält. Und schließlich weist auch eine großformatige Arbeit des ghanaischen Bildhauers El Anatsui gewisse Bezüge zu seinem Rubens-Nachbarn auf. 

Ein Zufall, aber ein schöner

Das Bild setzt sich aus Aluminiumverschlüssen von Alkoholflaschen zusammen. Damit will Anatsui, dessen Installation mangels Platz 20 Jahre im Depot lagerte, auf die Verstrickungen zwischen Afrika, Europa und Amerika während des Sklavenhandels im 16. Jahrhundert, aufmerksam machen. Damals wurden die afrikanischen Beteiligten von den Machthabern nicht zuletzt mit Alkohol bezahlt. 

Durch die Wiederverwendung Tausender Flaschenverschlüsse greift Anatsui zurück auf die Geschichte und konfrontiert diese mit Themen der modernen Gesellschaft wie Konsum, Handel und Umwelt. Abgesehen von der Gleichzeitigkeit der Rubens-Epoche mit der Sklavenzeit gibt es farbliche Parallelen, die Felix Krämer in dem Bild entdeckt: "Es sind Farben und Formen, die man glaubt, im Rubens wiederzufinden. Natürlich ein Zufall, aber ein sehr schöner." 

Ein weiterer Höhepunkt der künftig in Teilen wechselnden Schau ist der eins zu eins nachgebaute Thekenbereich des legendären Creamcheese. 1967 wurde der Club, der europaweit als der erste seiner Art galt, unweit der Kunstakademie eröffnet. Der Name bezog sich auf die Kunstfigur Suzy Creamcheese, die in Songs von Frank Zappa auftaucht. 

Im Creamcheese in Erinnerungen schwelgen

Im Kunstpalast kann man nun freitags und samstags außerhalb der Museumszeiten bei einem (teuren) Cocktail am von Heinz Mack entworfenen Tresen aus Aluminiumblech sitzen und zur Musik von Can, Tangerine Dream, Kraftwerk und Co in Erinnerungen schwelgen. Neben Adolf Luthers Spiegel sind Ferdinand Kriwets Rundscheiben wiederbelebt. Und auch Daniel Spoerris Fallenbild, eine 5,5 Meter lange Holzplatte, die dieser als letztes dauerhaft installierte Raumobjekt des Clubs mit bartypischen Utensilien beklebte, hängt wieder da, wo es damals hing: an der Decke. 

Eine Fernsehwand von Lutz Mommartz und Günther Uecker zeigt alte Filme, unter anderem von Live-Konzerten und einer Beuys-Performance, die dieser im damaligen Aktionsraum abgehalten hatte. Jenseits der Stufen, die zur Tanzfläche führten, ziert ein Gerhard-Richter-Großformat ("Pin up") die Wand, während Günther Ueckers illuminierte Installation "Nagel/Electric Garden" die Gäste am Eingang empfängt. 

Letzterer war es auch, der Idee für diesen Club hatte, nachdem er in New York Andy Warhols vergleichbaren The Dom besucht hatte. Nach der Schließung des Creamcheese erwarb das Kunstmuseum Düsseldorf (der Vorläufer des Kunstpalastes) 1978 die künstlerische Innenausstattung, deren Barbereich nun in enger Abstimmung mit den Künstlern Uecker, Mack sowie den Nachlassverwaltern von Ferdinand Kriwet rekonstruiert wurde. 

Schlangestehen am Eröffnungswochenende

Günther Uecker habe sich nach der Fertigstellung gerührt gezeigt, ließ das Museum wissen: "Die detailgetreue Rekonstruktion der Creamcheesebar lässt eine Zeit aufleben, in der die Kunst als eine kollektive Erfahrung verstanden wurde – mit Experimenten und Aktionen, mit Vernetzung untereinander und jeder Menge Spaß."

Felix Krämer indes hat ausgesorgt. Kurz vor der Eröffnung wurde der 52-Jährige für seine Arbeit mit einer um vier Jahre vorgezogenen Vertragsverlängerung bis September 2034 belohnt. (Warum muss das im Museumsbereich jetzt schon so gehandhabt werden wie im Fußball?). Alles richtig gemacht, möchte man meinen: Am Eröffnungswochenende war der Andrang riesengroß, Schlangestehen und Lobeshymnen inklusive. 

Laut Facebook-Post des Museums sollen es allein an diesen beiden Tagen mehr als 10.000 Menschen gewesen sein, die die Sammlung besucht haben. Allerdings war der Eintritt zur Feier des Ereignisses auch kostenfrei.