Medienschau

"Was wir zur Kunst mitbringen, sind wir selbst"

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Nan Goldin über die humanitäre Krise in Gaza, Widerstand gegen Kurs des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, und die Kunstwelt ist voller Fälschungen: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Debatte

Die US-Fotografin Nan Goldin wurde beim Fotofestival Les Rencontres d’Arles mit dem Women In Motion Award geehrt und nutzte ihre Rede, um auf die humanitäre Krise in Gaza aufmerksam zu machen. Laut "The Art Newspaper" bezeichnete die jüdische Künstlerin den Krieg als "ersten live übertragenen Völkermord" und kritisierte Einschränkungen der Berichterstattung: "Trotz der Angriffe auf Journalist:innen, Shadow Banning und dem Blackout der Mainstream-Medien können wir sehen, was passiert." Als eine Frau dazwischenrief "Warum sprichst du nicht über die Geiseln?", antwortete Goldin: "Was am 7. Oktober passiert ist, ist schrecklich. Über 1.000 Menschen wurden getötet. Aber jetzt sind 50.000 auf der anderen Seite tot. Ich denke, die Rache war genug." Außerdem warf sie Israel vor, Kritik mundtot zu machen: "Antizionismus wird völlig mit Antisemitismus gleichgesetzt, was für Israel bequem ist". Sie beschuldigte die israelische Regierung auch, "Drogen ins Mehl" für Gaza geschmuggelt zu haben.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner betont in der "Weltkunst" die Bedeutung des Dialogs zwischen Politik und Kunst. Besonders beeindrucke sie der überkonfessionelle Andachtsraum von Günther Uecker im deutschen Parlament, ein "Raum der Stille", der Offenheit und Klarheit ausstrahle. Klöckner, Vorsitzende des Kunstbeirats, hebt die aktuelle Ausstellung "WIR – 19 Grundrechte. 19 künstlerische Positionen" hervor, die an 75 Jahre Grundgesetz erinnert. Kunst solle frei und kritisch sein – und dürfe auch irritieren, sagt die CDU-Politikerin (der schon eine Regenbogenflagge auf dem Bundestag zu viel ist). Besonders bewegt habe sie das Werk von Ilit Azoulay zu Artikel 4: eine Fotocollage religiöser Objekte, die laut Azoulay "noch unschuldig" seien und niemand für sich beanspruchen könne. Kunst, so Klöckner, könne helfen, Grundrechte nicht nur zu garantieren, sondern auch "verstanden und gelebt" zu werden.

Museen

Im "Kölner Stadt-Anzeiger" beschreibt Michael Kohler die anhaltenden Konflikte am Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum unter Direktorin Nanette Snoep. Sie hatte sich 2019 vorgenommen, Kolonialismus kritisch aufzuarbeiten und lobte das Haus als Ort, der Themen wie Rassismus und Migration "eine Spitzenstellung" sichere. Doch ihr Kurs stößt auf Widerstand: Klaus Schneider, ihr Vorgänger, warf ihr 2022 vor, die Debatte zu "ideologisieren" und die Forschung zu bremsen. Unternehmer Karl-Ludwig Kley kritisiert ihre "einseitige Fokussierung auf Anti-Kolonialismus, Anti-Rassismus, Anti-Irgendwas". Dabei hatte Snoep mit Ausstellungen wie "Resist" und "I Miss You" internationale Anerkennung erlangt. Sie selbst sagt: "Ich bin sehr stolz darauf, wie wir das Haus für neue Besucher, Kinder, die freie Szene und die migrantischen Communitys geöffnet haben." Doch ihr Führungsstil führe zu internen Beschwerden, hoher Fluktuation und stagnierenden Besucherzahlen, so Kohler. Ob ihr Vertrag 2026 verlängert wird, bleibe unklar.

In der "Berliner Zeitung" kommentiert Timo Feldhaus den Streit um den "Tänzerinnen-Brunnen" im Berliner Georg Kolbe Museum. Die Direktorin Kathleen Reinhardt steht unter Druck, weil sie das Werk nicht klar als "NS-Raubkunst" deklarierte. Feldhaus entkräftet die Vorwürfe teils: Reinhardt habe 2024 selbst eine Provenienzrecherche angestoßen, die Erben kontaktiert und ein Buch veröffentlicht. Trotzdem kritisiert der Autor, das Museum spreche nur vage von "NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut", statt den Raub klar zu benennen. Er meint, man wolle dem Museum zurufen: "Sagt es doch bitte einfach." Zugleich weist er auf Versäumnisse hin, etwa die fehlende Gedenktafel, obwohl Erben schon 2001 darum baten. Reinhardt wolle im Sinne der Washingtoner Prinzipien handeln, agiere aber kommunikativ unglücklich – eine Parabel auf eine "sprachverwirrte Gegenwart".

"Le Figaro" berichtet mit AFP, dass Frankreichs Kulturministerin Rachida Dati Ende Juli im Ministerrat ein Gesetz zur erleichterten Rückgabe kolonialer Kunstwerke vorstellen will. Das Vorhaben soll es ermöglichen, "per Dekret" vom Grundsatz der Unveräußerlichkeit öffentlicher Sammlungen abzuweichen, um geraubte Objekte an die Herkunftsländer zurückzugeben. Dati räumte ein: "Ich weiß, dass sich die wesentlichen Erwartungen heute auf das Rahmengesetz richten", und verweist damit auf den hohen Druck insbesondere aus ehemaligen Kolonien. Das Gesetz könnte im September im Senat beraten werden. Bereits 2023 hatten andere Gesetze die Rückgabe menschlicher Überreste und von den Nazis geraubter Kunst erleichtert. Laut "Le Figaro" seien offizielle Rückgabeforderungen aus zehn Ländern eingegangen, darunter acht afrikanische Staaten wie Mali, Côte d’Ivoire oder Senegal. Das Projekt gilt als Wiederaufnahme eines von Präsident Macron 2017 versprochenen Vorhabens, das bisher nur schleppend umgesetzt wurde.

Kunstgeschichte

Im "Guardian" fragt sich Nell Stevens: "Was wäre, wenn jedes Kunstwerk, das man je gesehen hat, eine Fälschung ist?" Sie erzählt von einem Mann im Pub, der behauptete, "jedes einzelne Exponat im British Museum sei eine Kopie". Diese Lüge inspirierte sie zu ihrem Roman "The Original" über Fälschungen und Selbsttäuschung. Stevens schreibt: "Würde es meinen überwältigenden Sinn für Verbindung zur Vergangenheit mindern, wenn die griechische Vase, die mich so bewegt hat, eine Fälschung wäre?" Sie beleuchtet auch aktuelle Debatten, etwa um Rubens' "Samson und Delilah", bei dem "eine KI-Analyse 90 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Fälschung" ergab. Ihr Fazit: "Was wir zur Kunst mitbringen, sind wir selbst: subjektiv, leicht zu täuschen, bereit, bewegt zu werden."