Medienschau

"Alles, was wir Menschen machen, ist flach, rechteckig, langweilig"

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Tony Cragg preist die Natur als Schöpferin, die "New York Times" analysiert die enttäuschenden Frühjahrsauktionen, und die Berliner Kunsthochschulen ächzen unter den Sparmaßnahmen: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Kulturpolitik

Eva Murašov schildert im "Tagesspiegel" die drohende Existenzkrise der Berliner Kunst- und Musikhochschulen infolge massiver Sparmaßnahmen des Senats. Institutionen wie die UdK, die Ernst-Busch-Schule, die HfM Hanns Eisler und die Kunsthochschule Weißensee warnen vor gravierenden Folgen für Ausbildung, Personal und internationale Wettbewerbsfähigkeit. UdK-Präsident Markus Hilgert erklärt: "Selbst wenn wir größte Ausgabendisziplin üben, werden wir in spätestens zwei Jahren zahlungsunfähig sein." Die Qualität der Lehre leide bereits, da 90 Prozent der Mittel ins Personal flössen, bei gleichzeitigem Einstellungsstopp. HfM-Rektorin Andrea Tober nennt 2200 Bewerbungen auf 80 Studienplätze als Zeichen des internationalen Renommees. Angelika Richter (KHB) warnt vor dem "Weg in die Provinzialität": "Durch den Verlust internationaler Anschluss- und Wettbewerbsfähigkeit droht Berlin der Abstieg." Laut Murašov trifft der Sparkurs nicht nur die Hochschulen, sondern auch deren Partner in der Berliner Kulturlandschaft. Kooperationen mit Bühnen und Schulen brechen bereits weg. Die Rektorinnen und Rektoren fordern eine Kurskorrektur: "Die große Erfolgsgeschichte war nur möglich, weil wir seit Jahrzehnten von unserer Substanz leben. Mehr geht nicht."

Kunstmarkt

In der "New York Times" berichten Zachary Small und Tim F. Schneider über die enttäuschende Frühjahrs-Auktionssaison in New York. Die drei großen Auktionshäuser Christie's, Sotheby's und Phillips verfehlten mit rund 1 Milliarde Dollar Umsatz klar ihre Schätzungen von 1,2 bis 1,6 Milliarden (ohne Käufergebühren). Ursache sei laut den Autoren eine schwächelnde Weltwirtschaft, geringes Sammlerinteresse an Spitzenlosen sowie eine allgemeine Unsicherheit. Teure Werke wie ein Giacometti oder ein Warhol fanden keine Käufer. "Kunststars floppten oder wurden unter den Erwartungen verkauft in Auktionen, die schwer mitanzusehen waren." Dafür erzielten Arbeiten von Künstlerinnen wie Marlene Dumas, Olga de Amaral und Simone Leigh Rekorde, während Werke etablierter männlicher Nachkriegskünstler oft unter Wert blieben. Auch asiatische Bieter, früher ein starker Markt, blieben aufgrund globaler Handelsspannungen aus. Laut Christie’s-Chefin Bonnie Brennan hofft man auf eine stabilere Lage im Herbst. Auktionshäuser wollen nun durch hohe Verkaufsquoten statt Höchstpreise Vertrauen sichern – ein Zeichen für einen Markt im Umbruch. "Der Kunstmarkt versucht, den Maßstab für Erfolg zu senken", stellen die Autoren fest. Sotheby’s-Chef Charles Stewart erklärt: "Erfolg bedeutet nicht mehr, gut zu verkaufen – sondern überhaupt zu verkaufen." 

Venedig-Biennale

Marcus Woeller berichtet in der "Welt" über Katars Engagement in Venedig: Als erstes Land seit 30 Jahren erhält das Emirat einen eigenen Pavillon in den prestigeträchtigen Giardini der Biennale. Die Giardini seien "für den internationalen Kulturbetrieb so etwas wie das Hauptquartier der Vereinten Nationen". Mit dem neuen Nationalpavillon werde das Emirat "in die allererste Reihe" der Biennale-Staaten aufgenommen – ein "teures Privileg", das es sich mit einer 50-Millionen-Euro-Spende erkaufte. Der Deal sei Teil eines Abkommens, das laut Bürgermeister Brugnaro die "zeitgenössische Dynamik" Venedigs stärken soll. Der Autor deutet an, dass dieser Schritt nicht nur kulturelle, sondern machtpolitische Dimensionen hat. Die Giardini galten lange als "baudiplomatisch ausgeschöpft", nun aber erhalte Katar Zugang – ein "Coup", der Venedig "wohl gut bezahlt" werde. Auch dass "kein Wort fiel", wie es zu dem Privileg kam, sei bezeichnend. Scheika Al Mayassa betont: "Unser Pavillon spiegelt wider, was Katar in der Welt tut." Und weiter: "Kunst und Kultur sind der wichtigste und wirkungsvollste Weg", um Missverständnisse über den Islam zu überwinden. Woeller resümiert: Katar inszeniert sich geschickt – als "selbstbewusste Botschafterin in der venezianischen Gartendiplomatie".

Maximilian Probst berichtet in der "Zeit" von der diesjährigen Architektur-Biennale in Venedig, die eine radikale Frage in den Raum stellt: "Sollten wir aufhören zu bauen?" Der deutsche Pavillon bringt diese Debatte auf den Punkt: "Bauen oder Nicht-Bauen, das ist hier die Frage." Denn die Bauindustrie ist – durch Stahl, Beton und steigenden Energieverbrauch – massiv am Klimawandel beteiligt. Kurator Carlo Ratti fordert dennoch nicht Verzicht, sondern Anpassung: "Die Planer sollten für eine veränderte Welt entwerfen." Doch der Fortschrittsglaube, so Probst, führe in die Irre. Die vorgestellten Lösungen – neue Baustoffe, Künstliche Intelligenz – seien oft selbst Teil des Problems. Die Biennale bleibe damit widersprüchlich: Sie zeige die Klimakrise, ziehe aber keine Konsequenz. Probst kritisiert, dass die Ausstellung ausgerechnet einen neuen Pavillon für Katar erlaubt – und damit die eigene Botschaft konterkariert. "Ein echter Baustopp", beginnend mit der Biennale selbst, wäre laut ihm ein "Zeichen der Rettung" – in einer Stadt, die sinnbildlich unterzugehen droht.

Porträt

Alexander Menden porträtiert in der "SZ" den Bildhauer Tony Cragg anlässlich zweier Open-Air-Ausstellungen in Darmstadt und Heidelberg. Der Brite mit deutschem Pass zählt zu den produktivsten Bildhauern der Gegenwart, seine Werke sind international präsent – doch für Cragg ist die Interaktion mit der Natur essenziell: "Die Natur hat Millionen Jahre gebraucht, um ihre Formen hervorzubringen. Alles, was wir Menschen machen, ist flach, rechteckig, langweilig." Der Künstler, der seit 1977 in Wuppertal lebt, sagt: "Ich bin nicht nach Deutschland gegangen, sondern nach Wuppertal." Die Industriekultur und Kulturdichte der Region seien „einzigartig“, so Cragg. In Deutschland wurde er gefeiert – anders als im England der 70er-Jahre, wo "jede Woche eine Karikatur über Henry-Moore-Skulpturen erschien". Mendens Reportage zeigt Craggs Formverständnis als bewusstes Gegenmodell zur funktionalistischen Gestaltung: "Wichtig ist, dass man eine Form findet, die im Gehirn etwas auslöst." Auch gesellschaftliche Relevanz ist ihm wichtig – die Ernsthaftigkeit, mit der Kunst in Deutschland verhandelt wird, sei ihm "sehr wichtig, auch wenn sie manchmal nervig sein kann".

Ausstellung

In der "NZZ" beschreibt Philipp Meier die Ausstellung der britischen Künstlerin Monster Chetwynd im Kunsthaus Zürich als ein ebenso groteskes wie spielerisches Gesamtkunstwerk. Chetwynd, bekannt für ihre dadaistisch geprägten Performances, verwandelt zwei Räume im Chipperfield-Bau in einen "Garten der Ungeheuer" – mit Tatzelwürmern, Libellen und Grotten aus Pappmaché. Der Rundgang beginnt spektakulär: durch ein riesiges Monstermaul. Chetwynd, die als Ethnologin und Künstlerin arbeitet, verwebt in ihren Arbeiten kunsthistorische und popkulturelle Referenzen – von François Boucher über Tarotkarten bis hin zu "Ghostbusters". Chetwynd versteht ihr Werk als verspielt, überbordend und immer reflektiert. "Wie deprimierend die Welt auch ist – es gibt immer ein Minimum an Frivolität", sagt sie. Zum Abschluss soll im Garten des Museums eine begehbare Monsterskulptur entstehen – neun Meter hoch, mit Kletternetz im Inneren: ein Denkraum im doppelten Sinn.

Film

Die britische Musikerin FKA Twigs könnte in einem Film über Josephine Baker die Tanzlegende, Freiheitskämpferin und queere Ikone spielen. Wie "Variety" unter Berufung auf das französische Filmmedium "Satellifacts" berichtet, ist die 37-Jährige in Verhandlungen über die Rolle. Demnach wird das Biopic von der Produktionsfirma Studiocanal mitproduziert. Regie führen soll die Französin Maïmouna Doucouré ("Cuties"). Geboren 1906 in den USA, starb Baker 1975 in Paris und wurde dort als erste afroamerikanische Frau im November 2021 in das Panthéon aufgenommen, Frankreichs Ruhmestempel – Seite an Seite mit Größen wie Victor Hugo, Voltaire oder Marie Curie. FKA Twigs veröffentlichte Anfang des Jahres ihr neues Album "Eusexua" und ist derzeit damit auf Tour. Am 30. Mai holt die Britin ein verschobenes Konzert in Berlin nach.