Fernsehgeschichte

Wie Künstler "Melrose Place" unterwanderten

"Melrose Place", das war eine amerikanische Serie der 90er-Jahre, die fest zum Kanon amerikanischer TV-Geschichte gehört. "Melrose Place", das war aber auch die Kulisse für die wohl umfangreichste subversive Kollaboration von zeitgenössischer Kunst und populärem Fernsehen

Konzeptkunst zu einem Millionenpublikum zu bringen, diesen Coup landete der Künstler Mel Chin, der sich in den 90ern zusammen mit einer Gruppe von Studenten und Künstlern zu einem Kollektiv zusammenschloss: dem Gala Committee. Von 1995 bis 1997 gelang der Initiative unter Beihilfe Frank Souths, dem ausführenden Produzenten von "Melrose Place" und der Drehbuchautorin Carol Mendelsohn im Set der Primetime-Serie ein spektakuläres Mimikry der Kunst. Unbemerkt vom Publikum wurden zwei Staffeln lang über 200 readymade-artige Objekte voll politischer und gesellschaftskritischer Botschaften in die Handlungsstränge eingewoben.

Chinesische Takeaway-Boxen und Faxnachrichten wurden zum Träger politischer Nachrichten, genau wie Bettbezüge mit Motiven aufgerollter Kondome, die nach den Standards der Medienaufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC) nicht verbreitet werden durften. Die Flaschenetiketten von Hochprozentigem waren bissige Bemerkungen zur unrühmlichen amerikanischen Geschichte des Alkohols. Eine ikonische Absolut-Wodka-Anzeige, eingearbeitet in eine Darstellung des 1995 durch einen Anschlag zerstörten Alfred P. Murrah Federal Building in Oklahoma, übte Kritik am rassistisch motiviertem Terrorismus.

Der Seriencharakter Samantha Reilly schließlich übermittelte als Malerin ihre Botschaften über ihre pastellfarbenen Gemälden à la David Hockney, die mit Anspielungen auf die herrschende Gewalt in Los Angeles gespickt waren.

Eine Decke, die der schwangeren Darstellerin Alison Parker in einer Szene Wärme spendet, bemusterten die Künstler des Gala Committees mit der chemischen Formel des Wirkstoffs Mifepriston –  Inhaltsstoff der Abtreibungspille. Der Quilt war ein Kommentar auf die damalige Medientabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, denn zur Blütezeit des US-Massenfernsehens war es für einen weiblichen Seriencharakter quasi undenkbar, auf dem Bildschirm eine Abtreibung zu durchleben: "Entweder sie bekommt das Baby oder sie muss eine Treppe runterfallen", wird Constance Penney, eine der Künstlerinnen des Gala Committee in der "New York Times" zitiert. "Wir wollten das Thema Freiheit in der Familienplanung auf die Agenda setzen."

Durch die Mittel des Subtextes, des Subtilen und Doppelbödig-Unterbewussten realisierte das Gala Committee die Subversion als künstlerisches Prinzip - nonchalant und par excellence.

Nach drei Jahren der verdeckten Sabotage im Dienste der Schwulen- und Frauenrechte und des stillen Protests gegen Diskriminierung und Medienzensur wurden die Arbeiten vom Museum of Contemporary Art (MoCA)  in Los Angeles mit dem Titel "Uncommon Sense" ausgestellt. In New York nun ist das erste Mal eine umfassende Auswahl von 100 Arbeiten im Melrose Place inspirierten Setting zu sehen.   

Frank South und Carol Mendelsohn beschlossen damals, die durch Mel Chin und das Gala Committee an sie herangetragene Idee der verdeckten Serienmanipulation durch die Kunst weder mit dem Produzenten Aaron Spelling noch dem Sender zu besprechen. Als South und Mendelssohn irgendwann doch aufflogen, schien Spelling die Aufmerksamkeit durch Akteure der Kunstwelt zu gefallen: "Aber macht nichts, das meine Serie gefährdet", soll seine Antwort gewesen sein.