Kunst über Israel in Berlin

Das Feuer aushalten

Das Haus am Lützowplatz in Berlin zeigt zwölf künstlerische Positionen zu Israel. Die Schau "Who by Fire" schafft, was in der deutschen Debatte so selten gelingt: Der Komplexität Raum zu geben

Hören Menschen das Wort "Israel", dann läuft Sekunden später ein Film vor dem inneren Auge ab, der sich aus medialen Bildern, Gehörtem und Unverstandenem speist. Viele wollen etwas zu Israel sagen, die Allermeisten waren weder schon mal im Land, noch kennen sie sich mit den historischen Details aus. Israel, das ist das schwarze Schaf der Weltpolitik; das Problemkind; der nervige Onkel.

Dazu kommt die deutsche Perspektive: Die gibt es nicht, ohne gleichzeitig die eigene Schuldgeschichte mitzudenken oder eben zu fühlen. Darüber hinaus versperrt sich der Geist der sogenannten Dichter und Denker immer dann besonders, wenn etwas widersprüchlich, uneindeutig oder komplex ist. Diese Sicht auf die Welt und das Leben ist allerdings weder Teil der israelischen noch der jüdischen Identität.

Nun ist im Haus am Lützowplatz in Berlin die Ausstellung "Who by Fire" zu sehen, kuratiert von Liav Mizrahi. Die Schau nimmt mit zwölf zeitgenössischen künstlerischen Positionen die Geschichte und die Lebensrealität Israels in den Blick. Dabei spielt auch die aktuelle politische Lage des Landes eine Rolle, und die Künstlerinnen und Künstler stellen Fragen nach Identität, auch aus der Perspektive nicht-jüdischer Israelis. Die Inhalte sind mitunter komplex, doch hier geht es eben nicht um einfache Antworten.

Historisches Feuer und aktuelle Brände

Im Zentrum des Judentums steht nämlich das Aushalten von Widersprüchen und auch das Aushalten des Feuers, das seit 75 Jahren (aber eigentlich 5783 Jahren) als unveränderbare Tatsache die jüdische Identität ausmacht. Nun hat der Kurator Liav Mizrahi sich den politischen Bränden gewidmet, die aktuell die israelische Gesellschaft beunruhigen, und das auf eine extrem elegante und liebevolle Weise.

Da sei die herausragende Videoarbeit "Detroit" von Amir Yatziv genannt. Sie zeigt eine Stadt ohne Einwohnerinnen und Einwohner und ohne echte städtische Infrastruktur. Es handelt sich dabei um eine Nachbildung eines arabischen Dorfes im Maßstab 1:1, das allein für den Zweck militärischer Übungen der israelischen Armee bestimmt ist. Im Video sieht man verschiedene Stadtplaner, wie sie die Karte der Anlage nach verschiedenen Gesichtspunkten analysieren, ohne zu wissen, dass diese Stadt in Wirklichkeit nicht existiert. Die Interviews und Bemerkungen der Architekten sind gleichzeitig witzig und schockierend und lassen den Zuschauer eben genau das tun, was getan werden muss: der Komplexität Raum geben.

Ein weiteres Beispiel für Ambivalenz ist die gemeine Arbeit der beiden Künstler Shlomo Pozner und Leon Kahane. Auf nebeneinander angebrachten Flachbildschirmen dürfen wir einmal Pozners Bruder bei seinen Hochzeitsvorbereitungen und Kahanes Neffe am Abend vor der Einberufung in die israelische Armee beobachten.

Ein Land, das nicht erzählt werden kann, wenn man es nicht selbst erzählen lässt

Beide Männer schützen das Judentum so auf ihre je eigene Art und Weise – der erste durch die Religion, der zweite durch Waffen. Das gemeinsame Projekt von Kahane und Pozner trägt den Titel "Tkuma". Das Wort, zu deutsch Auferstehung oder Wiederbelebung, entspricht dem israelischen Konzept "Sho‘a VeTkuma" ("Shoah und Auferstehung"), das sich auf das Moment des Wiederaufbaus nach einer Zerstörung bezieht. Es zielt auf das neue Leben, insbesondere nach einem traumatischen Ereignis wie dem Holocaust.

Aber auch die Arbeit "The Promise" der Künstlerin Ella Littwitz berührt. Gleich im Eingangsbereich der Ausstellung sehen wir den Bronzeguss von den Überresten eines Baumes, den Theodor Herzl 1898 bei seinem Besuch in "Eretz Israel" gepflanzt hatte. Die Verheißung des Staats Israel, die Vision des Zionismus und die Wiederauferstehung des jüdischen Volkes, all dies und noch viel mehr wird in dem Werk von Littwitz verhandelt - und in den Werken der anderen neun Künstler, die genauso eine tiefere Auseinandersetzung an dieser Stelle verdient hätten.

Das wirklich Herausragende der Ausstellung? Sie verwehrt sich allgemeingültigen Wahrheiten und Projektion auf ein Land, das nicht erzählt werden kann, wenn man es nicht selbst erzählen lässt. Und das aus unterschiedlichen Perspektiven, die sich mitunter widersprechen.