Zum Tod von Paco Rabanne

Ein Näschen für die Mode der Zukunft

Der Designer Paco Rabanne ist vielen vor allem als Parfüm-Komponist bekannt, er war jedoch auch ein innovativer Couturier mit rebellischem Geist. Ein Nachruf

"Es gibt nur zwei Genies in Spanien: Mich und Paco Rabanne", soll der Künstler Salvador Dalì einmal gesagt haben. Nun ist der Modedesigner, geboren als Francisco Rabaneda y Cuervo, im Alter von 88 Jahren gestorben. Schon 1999 hatte er sich zur Ruhe gesetzt und 2001 in einem Interview mit "Women's Wear Daily" (WWD) erklärt: "Viele Menschen glauben, ich bin tot."

Um seine Mode und ihn war es ruhig geworden - bis Julien Dossena das Haus Paco Rabanne 2014 als Creative Director übernahm und die charakteristischen, oft aus ungewöhnlichen Materialien zusammengesetzten Entwürfe der Marke um tragbarere Stoffe wie Denim, Spitze und Strick ergänzte. Die DNA Rabannes ist jedoch noch heute klar zu erkennen: eine unmissverständliche Handschrift, die Architektur und Weltraum-Chic miteinander verbindet, die Körper von Legenden umspielte und Coco Chanel in Rage geraten ließ.

Den Tod des Couturiers hatte der spanische Konzern Puig verkündet, der für Rabannes Mode- und Parfüm-Unternehmen zuständig ist. "Mit seinem Ableben werden wir aufs Neue an seinen enormen Einfluss auf die zeitgenössische Mode erinnert, einen Spirit, der in dem Haus weiterlebt und seinen Namen trägt", sagte José Manuel Albes, der Präsident der Mode- und Beauty-Departments des der Barcelona ansässigen Firma. "Wer sonst hätte modebewusste Pariserinnen dazu veranlassen können, sich lautstark um Kleider aus Plastik und Metall zu streiten? Wer außer ihm hätte sich einen Duft ausdenken können, ihn 'Calendre' nennen – was Autogrill bedeutet – und ihn in ein Symbol moderner Weiblichkeit verwandeln? Dieser radikale, rebellische Geist zeichnete ihn aus: Es gibt nur einen Rabanne."

Zwölf untragbare Kleider

Paco Rabanne wurde 1934 im Baskenland in einen modeaffinen Haushalt hinein geboren – seine Mutter arbeitete als Chef-Schneiderin für Cristóbal Balenciaga. Doch für sich entdeckte er die Mode erst zu Beginn der 1960er-Jahre, nachdem er ein Architekturstudium abgeschlossen und sich dem Bereich zehn Jahre lang gewidmet hatte.

Rabanne begann, große, aus Plastik gefertigte Knöpfe und Accessoires an unterschiedliche Couture-Häuser zu verkaufen, bis er 1964 seine ersten Modeentwürfe "Twelve Experimental Dresses" vorstellte. Diese wurden zwei Jahre später zu "Twelve Unwearable Dresses in Contemporary Materials”, seiner ersten Couture-Kollektion, die Rabanne 1966 in Paris präsentierte.

Die zwölf Gewänder bestanden aus hunderten kleinen Plastik- und Metall-Plättchen, durch Metall-Ringe verbunden und zu unterschiedlichen Kleid-Formen aneinandergereiht. Das Material war in diesem Zustand noch nie zu einem Kleidungsstück zusammengesetzt worden und so galt schon Paco Rabannes Beginn als Modedesigner als Provokation. "Wen kümmert es, wenn niemand meine Kleider tragen kann. Sie sind ein Statement", war seine Aussage, nachdem die Couture von der Presse zerrissen wurde. "Es war schwierig für sie, denn sie sahen Kleider, die sich nicht verstanden", erklärte er es Jahre später in "The Times". Zukunftsweisend und unbeirrt experimentierte Rabanne weiter.

Alexander Calder, aber als Kleid

Bald präsentierte er Designs, die einem Kettenhemd ähnelten, gehämmertes Aluminium, Metall und Papier wurden als Werkstoffe genutzt. Eine seiner berühmtesten Kreationen war das "Juwelenkleid", das der spanische Modedesigner für die Sängerin Francoise Hardy entwarf – neun Kilo pures Gold hatte er in dem berühmten Gewand verarbeitet, das als "das teuerste Kleid der Welt" gehandelt wurde.

Die Inspirationsquelle seiner avantgardistischen Kreationen sollen Skulpturen von Jesús Rafael Soto, César Baldaccini und Alexander Calder gewesen sein. Gleichzeitig jedoch auch das Zeitalter, in dem sein Schaffen Beachtung fand: Paco Rabanne wird zusammen mit Pierre Cardin und André Courrèges als der Designer des "Space Age" gehandelt.

Der Wettlauf ins All zwischen Westen und Osten seit Ende der 1950er-Jahre brauchte seine eigene Couture und so etablierte sich der Begriff "Space Fashion", mit der Rabanne seine avantgardistischen Zukunftsvisionen verwirklichte. Wie Rüstungen für Weltraum-Missionen können die kurzen, a-linienförmigen Designs verstanden werden, die Innovation mit Kunst und Mode verknüpften und heute noch für eine zeitlose, spacige Eleganz stehen.

"Er ist kein Modeschöpfer. Er ist ein Metallarbeiter"

"Sein Gebrauch von alternativen Materialen für Modedesigns schockierte in den späten 1960er-Jahren, war jedoch auch seiner Zeit um viele Jahre voraus. Man könnte jedes seiner Kleider heute tragen und auf jedem Even die bestangezogene Person sein", fasst es der Instagram-Account @diet_prada zusammen. Und auch Rabanne selbst ging davon aus, aus einer anderen Sphäre zu stammen. Er sei "vom Planeten Altair zur Erde gereist, um vor 78.000 Jahren auf diesem Planeten die Zivilisation aufzubauen". Eine von mehreren Aussagen, die ihm im Laufe der Jahre den Spitznamen "Wacko Paco" einbrachten.

Paco Rabannes Arbeitsweise könnte man eher konstruieren als entwerfen nennen, als Ingenieur wurde er von einigen seiner Kollegen betitelt, nicht als Designer. "Er ist kein Modeschöpfer. Er ist ein Metallarbeiter", soll die Modedesignerin Coco Chanel über ihn gesagt haben, deren modische Vision wohl bei Ringelshirt und Tweed-Kostüm endete. "Ich wollte Frauen in moderne Kriegerinnen verwandeln," entgegnete Rabanne später in einem Interview.

Der Erfolg und seine vielen Musen gaben ihm Recht: Die Bond-Girls in der 1967 erschienenen Bond-Parodie "Casino Royale" trugen genauso Rabanne wie Audrey Hepburn in "Two for the Road", und auch Jane Fonda als Barbarella steckte im gleichnamigen Sci-Fi-Hit in einem von Paco Rabanne inspiriertes Kleid. "Diese Ära war verrückt, sie war geprägt von einem halluzinatorischen Wunsch nach Wandel. Ich habe das nie wieder so gespürt", kommentierte der Designer diese Schaffensperiode 2001. Rabannes unkonventionelle Herangehensweise hat die Idee von Couture neu definiert und nie dagewesene Maßstäbe für die Kreativität von Modedesignern gesetzt, gerade, wenn es um Materialentscheidungen geht.

"Eine Welt, die nur er kannte"

Architektonisch, alienhaft und atypisch verlief Paco Rabannes Pfad durch die Welt der Mode, der seinen Höhepunkt schon im Jahr 1969 erreichte. Von da an konzentrierte sich der Kreative hauptsächlich auf seine Parfüm-Linie, die er 1968 zusammen mit dem Unternehmen Puig ins Leben gerufen hatten.

Nach "Calendre" folgte 1973 der Duft "Paco Rabanne Pour Homme", 1979 "Metal" und viele weitere, von denen etwa "1 Million" und "Lady Million" noch heute Verkaufsschlager sind. Ein weiterer Beweis seiner richtungsweisenden Art zu denken war die Veröffentlichung eines Parfums in den 1990er-Jahren, das zu Beginn nur online zu erhalten war.  Auf der Website "CyberShop" stellte Rabanne den Duft "XS Pour Elle" Monate vor dem Verkauf im regulären Handel zur Verfügung.

Der indische Modedesigner Manish Arora, der von 2011 bis 2012 die kreative Leitung von Paco Rabannes Modekollektionen übernommen hatte, sagte über den Designer: "Er lebte in seiner eigenen Fantasie und einer Welt, die nur er selbst kannte und so konnte er schaffen, was er tat." Paco Rabanne kreierte in der Gegenwart eine Zukunft, in der er schon längst angekommen war.