Alexandra Bircken stellt Plazenta aus

Ursprung der Welt

Alexandra Bircken zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung in Paris auch die Plazenta ihrer Schwangerschaft. Was sie an diesem Organ interessiert, erklärt die Künstlerin im Monopol-Interview

Frau Bircken, Sie stellen immer wieder die Plazenta aus, die bei der Geburt Ihres Kindes entstand. Was interessiert Sie an diesem Organ?

Wann sonst hat man im Leben die Gelegenheit ein Organ, das aus dem eigenen Körper kommt und in ihm herangewachsen ist, anzusehen und sich dazu in Beziehung zu setzen, und vor allem ohne dass eine Krankheit an diesem Vorgang haftet! Einerseits ureigene Produktion, andererseits ein Fremdkörper, der das Immunsystem aushebelt, eben dafür sorgt, nicht abgestoßen zu werden bei gleichzeitigem Erhalt der Immunabwehr. Die Plazenta ist eine Filtermembran, die mütterliches und kindliches Blut trennt, aber den Übertritt von verschiedenen im Blut transportierten Substanzen ermöglicht beziehungsweise verhindert. Im Grunde gehen mehrere Widersprüche in einem solchen Gewebe auf. Es kommt also zu einer unwahrscheinlichen Begegnung, und dafür braucht es weder den von den Surrealisten oder Ready Makern so gern zitierten Seziertisch noch der Nähmaschine oder einen Spazierstock. Es liegt eine gewisse Konsequenz in der Verwendung der Plazenta als angenommenem Mittelpunkt der Ausstellung, die Ready-made, Surrealismus oder auch Fragen nach Autorenschaften zwar streift, aber genauso darüber hinausweist.

Aber warum haben Sie die Plazenta über die Jahre aufbewahrt – und wie überhaupt?

Zu Hause in der Tiefkühltruhe. Sechs Jahre lang sind wir ihr beim Öffnen begegnet. Das für mich Sichtbarwerden dieser Plazenta hatte eine unmögliche Dimension. Als Frau würde ich auch den Ursprung der Welt anders verorten als Courbet. Ich erfahre in Courbets berühmten Bild auch mehr über ihn und seine Zeit, als über den Ursprung der Welt. Und da stehen wir nun im 21. Jahrhundert und Aufklärung und Moderne feiern ihren Abschied in gleichzeitig totaler Transparenz. Was ich sehe ist gleichzeitiges "Alles und Nichts". 

Dem Mutterkuchen werden viele positive Eigenschaften zugeschrieben, weshalb die Plazenta in verarbeiteter Form auch von einigen Eltern gegessen wird. Andere bestatten die Nachgeburt. Was wäre ein guter Umgang mit der Plazenta?

Das muss jeder für sich entscheiden. Klar ist, dass unsere Vorfahren sie gegessen haben.

Welche Reaktionen haben Sie auf das öffentliche Zeigen der Plazenta erhalten?

Es berührt Menschen, mit etwas konfrontiert zu werden, das mit ihrer eigenen Existenz zu tun hat. 

Wie fügt sich diese Arbeit in Ihr Werk ein?

Die Arbeit ist unverkäufliche Meine Tochter hat bereits ein Gefühl dafür, dass die Eigentumsverhältnisse alles andere als geklärt und weiterhin problematisch sind. Alles andere wird sich zeigen.

Dieses Interview ist zum ersten Mal 2017 anlässlich einer Berliner Galerieausstellung erschienen