KMSKA-Wiedereröffnung in Antwerpen

Zwei Tempel in einem

Das nach elf Jahren Umbau wiedereröffnete Königliche Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA) besticht architektonisch durch einen einfachen Trick und eine Spannungsbögen austestende Hängung

Das Versteckspiel ist gelungen. Von außen sucht man vergeblich nach dem Erweiterungsbau. Der schmiegt sich in die Mauern des historischen Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert wie selbstverständlich ein, wo früher vier Innenhöfe zum Verweilen einluden, als hätte es ihn hier schon immer gegeben. Eine simple Idee – äußerst raffiniert umgesetzt.

Dabei könnte der Kontrast zwischen Alt und Neu nicht größer sein. Unter der Leitung von KAAN Architekten hat das als Tageslichtmuseum konzipierte KMSKA eine beachtliche Häutung erfahren, um der wachsenden Sammlung von momentan 8400 Exponaten zu mehr Raum zu verhelfen und dabei auch noch Platz für eine Restaurierungswerkstatt, Büros, Bibliothek, Archiv, Shop und ein Restaurant zu schaffen. Dafür wurden Trennwände entfernt, Türrahmen und Parkett saniert und die Wandfarben der ursprünglichen Farbpalette angepasst. So weit, so klassisch.

Das renovierte Dach mit Oberlicht und Markisen spannt sich über einem mit modernster Technik, aber auch reichlich Originalgetreue aufgerüstetem Haus, das sich auch bei der Museumspädagogik und der Hängung auf der Höhe der Zeit zeigt. Künstler und Opernregisseur Christophe Coppens etwa hat für Kinder die Schnitzeljagd "Die 10" konzipiert, die Details aus zehn Museumswerken aufgreift und sie als Installation neben den Originalen aufstellt, vom begehbaren Tierschädel bis zu einer aus der roten Deckenwand herausragenden und plötzlich zu Drehbewegungen ansetzenden Riesenhand.

Radikal neue Hängung

Damit auch bei den Eltern keine Langeweile aufkommt, hat man sich von der bisherigen Hängung radikal verabschiedet. Seitdem 2019 das umgestaltete MoMA die einzelnen Epochen nicht mehr strikt chronologisch, sondern anhand von Themen erzählt, schließen sich immer mehr Museen an. Etwa demnächst die Ausstellung "Double Act" im Centraal Museum Utrecht, das Videokunst aus der Sammlung von Pamela und Richard Kramlich auf hauseigene Meisterwerke aus dem 17. Jahrhundert treffen lässt.

Im KMSKA begegnet man inneren Verklammerungen wie "Impotenz", "Himmel", "Der Salon", "Farbe", "Horizont" oder "Licht". Der dem "Leiden" gewidmeter Saal kombiniert Werke Alter Meister mit einem zu Tränen rührendem Video von Bill Viola, einer gewohnt körperbetonten Skulptur von Berlinde de Bruyckere und einem vor Schmerz zermarterten Christus-Porträt eines James Ensor. Jean Fouquets Ikone "Madonna mit Kind umgeben von Engeln' von 1452 findet man nebenan in Gesellschaft von Marlene Dumas' "Give the people what they want" und Luc Tuymans' "Der diagnostische Blick IV". Das bleichhäutige Trio ist dazu verdammt, das Gegenüber zu sondieren, woraus eine Spannung entsteht, die das Publikum mit Verbindungslinien füllen muss. Hat man sich einmal auf diese zur kunsthistorischen Reflexion einladende Konfrontationsstrategie eingelassen, steigt die Neugier auf die kommenden Paarungen.

Einnehmende Coolness

Das ist zugleich Vor- und Nachteil, denn das Übereinanderpurzeln der Konstellationen führt mitunter dazu, das einzelne Werke nicht mehr mit einer klaren Stimme sprechen können. Auch in der Parallelwelt des neuen autonomen Gebäudes, das Kunst nach 1880 gewidmet ist, überwiegt der Drang zum Aussetzen der bisherigen Spielregeln, wozu auch die zeitliche Ordnung störende Anwesenheit alter Meister gehört: Magritte trifft auf Brueghel trifft auf Uecker. Für die mitunter banal weit gefassten Themen entschädigen großartige Werke von Anthony van Dyck, Frans Hals oder Paul Delvaux und ein hochkarätig bestückter Schwerpunkt auf James Ensor.

Die Raumwirkung der schneeweißen Haupthalle verschlägt hier im Finale den Atem, zumal die Höhe, Volumen und Lichteinfall variieren und eine "Himmelstreppe" mit einem schwindelerregenden Aufstieg zum obersten Stockwerk punktet, wo spektakuläre Aussichten winken. Das verwinkelt verdunkelte, irritierend transparente Zwischengeschoss beherbergt Radierungen, Zeichnungen und kleine Skulpturen. Sie werfen dank Aussparungen im Dach dramatische Schatten auf Wänden und dem spiegelnden Boden. Das schafft eine in diesem intimen Segment ungewohnte Unruhe, sorgt aber auch dafür, dass unten die Rückkehr ins Herz des skulpturalen Meta-Tempels den Blick wieder weitet, auf seine einnehmende Coolness im historischen Gewand.

Es wird sich zeigen, ob beide gemeinsam altern können und das nicht immer nachhaltig verwendete Material, das sich hier und da nicht zu schade ist, Marmor zu imitieren, den künftigen Strapazen standhält.