Kraftwerk-Biografie

Auch Roboter waren mal jung

„Das Leben ist zeitlos“, sangen Kraftwerk 1977 in ihrem Musikstück „Europa Endlos“, und heute sieht es tatsächlich so aus, als seien die Düsseldorfer in einer Zeitkapsel gefangen: Seit einer Dekade haben sie kein neues Material veröffentlicht, sondern erspielen sich mit Konzerten in führenden Ausstellungshäusern Museumsreife. Wie schreibt man diesen transhistorischen Retrofuturisten eine Biografie? Wie ein „zeitloses Leben" einfangen?

„Ich war ein Roboter“ betitelte das ehemalige Mitglied Wolfgang Flür 1999 seine Erinnerungen an 15 Kraftwerk-Jahren – und deutet damit an, dass sich selbst scheinbar unsterbliche Androiden in Elektroschrott verwandeln können. Gegen die erste Auflage ging das letzte verbliebene Gründungsmitglied aus den 70er-Jahren, Ralf Hütter, anwaltlich vor. Auch damit muss sich ein Biograf auseinandersetzen: Hütter wacht über die Darstellung der Bandgeschichte.

Jetzt hat der in München lebende britische Musikjournalist David Buckley eine unautorisierte Biografie vorgelegt. Neben Flür tritt darin mit Karl Bartos ein weiteres Exmitglied als Kronzeuge auf. Buckley bemüht sich um Ausgewogenheit, aber die beiden hinterlassen Kratzer am Image. Die Monografie liest sich überraschenderweise wie eine konventionelle Rockbandstory: Aufbruch im Zeichen von Jugend und Männerfreundschaft, Ruhm, Partys, Burn-out, Streit.

Interessant hingegen der Blick aus dem Popland Großbritannien auf die Klischee-Deutschen. Buckley sprach mit Peter Saville, Jon Savage und Musikern von Ultravox und Orchestral Manoeuvres in the Dark. Ergänzend zieht er publizierte Statements weiterer Zeitzeugen und prominenter Fans heran. Natürlich geht es auch um Kunst: wie Joseph Beuys um 1970 Düsseldorfer Krautrocker in Happenings einbezog, man sich in der Kneipe Creamcheese traf. Kraftwerk trank Inspiration aus vielen Quellen. Buckley gelingt es, diese Zeit, diesen Ort zu vergegenwärtigen, allein das macht diese Biografie lesenswert. 

Leider fehlt eine Einschätzung, was die Gruppe im New Yorker MoMA und in anderen Museen zu suchen hat – was macht sie aus Sicht der bildenden Kunst attraktiv. Dabei ist der Drang zur Nobilitierung die einzige Bewegung bei dieser ansonsten doch so statischen – oder eben „zeitlosen“ – Band. 

David Buckley: „Kraftwerk. Die unautorisierte Biographie“. Metrolit, 400 Seiten, 24,99 Euro