Migros Museum, Zürich

An Brüchen von Mauern und Menschen

Klara Lidén ist zurzeit so allgegenwärtig, dass die Ersten schon klagen: Muss es denn immer die sein? Aber ja, unbedingt. In der Züricher Gruppenausstellung „Displaces Fractures“ sticht ihre Arbeit jedenfalls wieder einmal heraus. Im vierteiligen Video „Position 0310“ klebt die Künstlerin wie ein Klammeraffe in mehreren Metern Höhe an einem Pfahl, einer Laterne oder einem Gasrohr: vor Plattenbauten, auf Parkplätzen, in Parkhäusern, dort, wo die urbane Welt am trostlosesten ist. Mit heißem Atem – die physische Anstrengung muss beträchtlich sein bei dieser Übung – umarmt Lidén die Stadt, die uns normalerweise die kalte Schulter zeigt.

Der ungleiche Zusammenprall von Beton und Körper zieht sich auch sonst durch diese Schau, mit der das Migros Museum seine durch den Umbau des Löwenbräu-Areals nötig gewordene Exilexistenz in den etwas abgelegenen Räumen der Hubertus Exhibitions beginnt. Der Titel klingt grausam nach Kuratorenprosa, stammt jedoch aus der Medizin: Displaced fractures nennen Ärzte Knochenfrakturen, die nicht dort entstehen, wo die Hauptbelastung auftrat.

Auch die Kunst, lautet die These der Ausstellungsmacher Heike Munder vom Museum und Thomas D. Trummer von der Siemens Stiftung, operiert mit Symptomverschiebungen: Bei den versammelten Werken, alle mit architektonischem Bezug, verweisen die Lücken, Ecken und Kanten im Material auf die Brüche in der menschlichen Existenz. Die Auswahl macht die These auf originelle Weise sinnfällig.

Gewichtige Klassiker wie die geschnittenen Granitblöcke des in Irland lebenden Düsseldorfers Ulrich Rückriem treffen auf die exzentrischen, silikonverklebten Bauschuttgebilde des Berliners Klaus Winichner und theatralisch zerbröckelte Betondecken des Amerikaners Oscar Tuazon. Einen großen Auftritt bekommt die gerade auch in London wiederentdeckte Britin Phyllida Barlow mit ihren abstrakten, fast aggressiv rohen Skulpturen aus Sperrholz und Zement. Sollbruchstellen überall: Das Leben, es ist eine Baustelle.

Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich, bis 20. Februar