Walther Collection Project Space, New York

Das verräterische Schweigen der Natur

Zwei Jahre lang dokumentierte die Fotografin Jo Ractliffe in der Wüste und im Busch von Angola die Spuren des Bürgerkriegs, der das Land von 1975 bis 2002 in den Krallen hielt. Ehemalige Soldaten, die sich an dieser fast vergessenen Front gegenüberstanden, führten die Südafrikanerin durch die „Länder am Ende der Welt“, wie Angolaner diese sandverwehten und noch immer verminten Gegenden nennen.

Mit Ractliffes Portfolio von knapp 60 Platindrucken weihte der New Yorker Sammler Artur Walther, der 2010 sein eigenes Fotomuseum in Burlafingen bei Ulm eröffnete, nun Mitte April seinen auf zeitgenössische Fotografie aus Asien und Afrika spezialisierten Projektraum in Chelsea ein. Ractliffes Bilder zeigen karge Landschaften, deren Wunden fünf, sechs Jahre nach dem Waffenstillstand schon fast vernarbt sind. Nur ein in die platte Erde geritzter Kreis kündet noch davon, dass auf dieser Ebene einmal Hubschrauber und Flugzeuge mit Gewehren und Militärfahrzeugen landeten. „Besetztes Terrain“, sagt ein Schild auf dem Weg nach Cuito Cuanavale, wo Afrikas größte Schlacht nach dem Zweiten Weltkrieg stattfand. Aber über der Schneise zwischen dem Urwald schwebt der Tod.

Die Vogelscheuchen ragen genauso sinnlos aus den Maisfeldern in den Himmel wie der Soldatenhelm, den jemand auf einen Farbtopf setzte und dann auf eine Stange steckte. Niemand weiß mehr, was dieser Wegweiser einmal bedeutete. In den Ruinen von Schulgebäuden und Wohnhäusern fand Ractliffe verblichene Wandgemälde von sozialistischen Soldaten, von Breschnew und Castro, der mehr als 400.000 Menschen nach Angola schickte. Ractliffe nähert sich der schnell verschwindenden Präsenz in diesem Niemandsland vorsichtig. Wie in Claude Lanzmanns Holocaust-Film „Shoah“ entstammt die Melancholie der Fotos aus dem Schweigen einer Natur, die so viel mitangesehen hat.  

Walther Collection Project Space, New York, bis 15. Juli