Bundeskunsthalle Bonn

Dem All so nah

Man darf den Plexibehältern bei Mack nicht trauen; je länger man hineinschaut, desto weniger Lichtreflexe sieht man. Stattdessen entdeckt man sonderbar veraltete Käsedosen und Spinnenreste, die von dem Vergehen der Kunstmoden erzählen. Lichtjahre entfernt müssten sie sein, die weltraumverliebten 60er-Jahre. Beim Betreten des „Space Corner“, einer summenden Glitzerkapsel im Flugmodus, kommt allerdings keine Spur von Nostalgie auf. Der Kosmos scheint näher als jemals zuvor, vielleicht, weil die Erde gerade an ihre Grenzen stößt.

Fast scheint es, als wäre die Zeit wieder reif für das Unmögliche. Der „Zero“-Veteran Heinz Mack erfreut sich zumindest kurz nach seinem 80. Geburtstag einer erstaunlichen musealen Präsenz. Insgesamt 14 Ausstellungen widmen sich dieses Jahr seinem Werk, Bahrain ist wegen der politischen Unruhen inzwischen abgesprungen. In Mönchengladbach rotieren indes wieder seine kinetischen Fantasien, in Düsseldorf gesellen sich die Zeichnungen dazu. Bonn geht mit 140 Objekten aus sechs Jahrzehnten aufs Ganze mit einer effektvoll inszenierten Hommage auf den Meister zweckfreier Lichtschauspiele.

Als Einstimmung auf „Licht – Raum – Farbe“ begrüßt den Besucher ein von der Decke hängender Drehspiegel, der gerade mal einige Monate alt ist und den der Künstler persönlich am Eingang platziert hat. Nüchtern geht es chronologisch lose weiter mit schwarz-weißen Gemälden aus der zehnjährigen „Zero“-Ära. Sie tragen minimalistische Titel wie „Black Rotation“ oder „White in White“. Von diesen ersten Strukturbefragungen führt der Weg direkt in die Welt von Barbarella, mit der Mack nicht nur eine Vorliebe für Lurex verband.

Frei vom Fingerabdruck der Zivilisation
Der Mann, auf dessen Konto „Lichtventilatoren“, „Elektrische Felder“ und Mauern aus Silberlicht gehen, scheute keinen noch so utopischen Ansatz. Seine die Land Art vorwegnehmenden Expeditionen gerieten zu poetischen Technikfeiern, die Sahara zu einem göttlichen Raum, den nur Außerirdische gewählt haben konnten. In der Hand des im silbernen Lurex-Anzug auftretenden Lichtmystikers verwandelten sich Sandreliefs zu galaktischen Schwingungen, in Bewegung gesetzt auf einer Naturbühne, „die noch frei ist vom Fingerabdruck der Zivilisation“. In Bonn erinnert ein mit Sand gefülltes Dreieck am Boden und Fotodokumente an das legendäre Unternehmen Wüstensand.

Elektrisierend auch ein weiterer Raum, der von den Lichtbrechungen einer silbernen Aluschrottwand im Atrium choreographiert wird. Neben dem halbdokumentarischen Film „Tele-Mack“ von 1968 sind die monumentalen Holzstelen ein Muss. In einem Halbrund verweisen ihre rätselhaften Formen auf fremde Kulturen, die einem Kubrick-Film entsprungen sein könnten. Mit dem Ende der verspielten Sixties war Macks Experimentierlust lange noch nicht verebbt. Er nutzte Wasser, Wind und Eis und fand in den 90ern zur Farbe zurück. Am Ende des Parcours bleibt ein Traum unerfüllt. Der „Himmel über Samarkand“ von 1963 harrt seiner Eroberung aus. Eine weite Reise, die man diesem  „Ingenieur-Künstler“ allerdings durchaus noch zutraut.

Bundeskunsthalle Bonn, bis 10. Juli