Der 75-Jährige Brasilianer Sebastião Salgado hat als Fotograf Massaker, Kriege, Elend und Ausbeutung miterlebt. Dabei hat er, wie er selbst sagt, "den Glauben an die Spezies Mensch verloren". Für seine sozialfotografischen Werke hielt er sich lange Zeit an Kriegsschauplätzen und in Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt auf. Und was er dort sah, was Menschen anderen Menschen antun, hat ihn fast zerstört.
In den vergangenen Jahren wandte Salgado sich aber zunehmend der Tier- und Pflanzenwelt zu: Pinguine auf den Sandwich-Inseln, Naturvölker im Einklang mit ihrer Umgebung, endlose Landschaften. Er sucht nach der Schönheit der Erde auf, aber zeigt auch ihre Zerstörung und die Ausbeutung von Ressourcen. Vor allem die derzeitige Lage in seinem Heimatland Brasilien, in dem Präsident Bolsonaro das Abbrennen des Regenwaldes immer weiter vorantreibt, bedrückt ihn sehr.
Ein Werk als Appell
Seine dramatischen Fotografien, immer in kontrastreichem Schwarz-Weiß, zeigen, wie sehr der Mensch die Oberfläche der Erde prägt. Aber Salgado glaubt an die Kraft der Natur und daran, dass die Umweltzerstörung rückgängig gemacht werden kann. Sein Werk ist ein Appell: die Menscheit muss zusammenhalten, um ihre Lebensgrundlage zu retten. Er selbst engagiert sich seit den 90er-Jahren für die Umwelt. Begonnen hat er mit der Farm seiner Eltern in Brasilien, die er mithilfe seinem gemeinnützigen "Instituto Terra" wieder aufforstet.
Am heutigen Sonntag erhält Salgado zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Der Fotograf fordere mit seinen Arbeiten "soziale Gerechtigkeit und Frieden und verleihe der weltweit geführten Debatte um Natur- und Klimaschutz Dringlichkeit" - so begründete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seine Wahl. Die Laudatio hält der Regisseur Wim Wenders, der Salgado im Jahr 2014 in dem Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" porträtierte.
Fotografien schaffen ein öffentliches Bewusstsein
Salgado selbst sagte in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur, dass seine Fotos nichts bewirken könnten. Doch für den Aktivismus für Frieden und Klimaschutz sind Bilder unverzichtbar. Bilder wecken Emotionen, und über sie lernen viele Menschen einen Sachverhalt erst kennen. Das zeigt sich auch bei den globalen Klimaprotesten von "Fridays for Future" oder "Extinction Rebellion".
Salgado fängt ein, wie wundervoll und vielfältig die Natur sein kann. Aber er zeigt auch, welche Katastrophe sich anbahnt. Er sensibilisiere für persönliche Schicksale, sagt der Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller. "Er gibt uns die Chance, die Erde als das zu begreifen, was sie ist: als einen Lebensraum, der uns nicht allein gehört und den es unbedingt zu bewahren gilt".
Salgado ist der erste Fotograf, der den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Er mag zwar kein Schriftsteller sein, aber auch seine Fotografien erzählen eine Geschichte: eine Geschichte über die Erde, die Menschheit und die Natur, mit all ihren Höhen und Tiefen. Eine Geschichte über Hoffnung und Verzweiflung, von der niemand weiß, wie sie ausgehen wird.