Documenta-Chef Adam Szymczyk

Der scheue Neugierige

Es ist der am meisten beachtete Job der Kunstwelt: Mehr als künstlerischer Leiter einer Documenta kann man als Kurator eigentlich nicht werden. Wie tickt der Mann, der die 14. Ausgabe gestaltet?

Der erste Eindruck täuscht. Wenn Adam Szymczyk auf einem Podium sitzt, wirkt er verschlossen. Und nicht immer hat er auf einfache Fragen einfache Antworten. Aber im persönlichen Gespräch taut er auf, ist wach, offen und beweist Humor. Als künstlerischer Leiter der Documenta 14, der wichtigsten Kunstausstellung der Welt, steht er 2017 im Fokus der Kunstwelt.

"Die Documenta ist ein denkender Organismus, der versucht, die Welt zu verstehen, die uns umgibt", sagt der 46-Jährige über die mit Spannung erwartete Ausstellung, die im April in Athen und im Juni in Kassel beginnt, bevor er sich die nächste Zigarette anzündet. Zum ersten Mal lässt er die Documenta gleichberechtigt in zwei Städten stattfinden.

Immer wieder wird er seither gefragt, wer da was lernen soll und warum. Die Antwort bleibt er stets schuldig. Letzte Woche in Kassel übernahm eine griechische Kollegin die undankbare Aufgabe, diese Frage zu stellen. Szymczyks Antwort diesmal: "Beim Lernen geht es nicht um Ankommen, nicht um Ergebnisse. Es ist ein spannender und bedeutungsvoller Prozess ... Ich fürchte, ich habe keine clevere Antwort."

Szymczyk wurde 1970 in Polen geboren. Er studierte Kunstgeschichte in Warschau, jobbte in Galerien, schrieb Kritiken, "eine ganz schön harte Zeit", wie er einmal durchblicken ließ. In den 1990er Jahren machte er eine Kuratoren-Ausbildung in Amsterdam. Über Basel führte ihn der Weg auch nach Deutschland, wo er 2008 die "Berlin Biennale" mitkuratierte.

2013 wählte ihn eine Findungskommission zum Documenta-Leiter. Bewerben kann man sich dafür nicht - man wird gefragt. "Von allen sechs Kandidaten hat er die klarsten Pläne vorgestellt", begründete Jury-Sprecherin Koyo Kouoh die Wahl. Szymczyk stehe für eine enge Zusammenarbeit mit den Künstlern. Seine Arbeit sei von unstillbarer Neugier, Integrität und Recherche durchzogen.

Als "scheu und wenig zugänglich" beschrieb ihn die Baseler "TagesWoche", als er 2014 in der Stadt seinen Hut nahm. "Seine Ausstellungen waren immer eine Herausforderung, auch für Kunstgewohnte." Er habe "ein intellektuelles Programm" gemacht, "weg von der Malerei, hin zu Leere, zu Reduktion, zu installativen Arbeiten, zu Interventionen."

Schweizer Weggefährten - Künstler, Kulturpolitiker, Kollegen - attestiertem ihm zum Abschied aber auch "eine seltene inhaltliche Konsequenz, die manchmal auch als Sturheit verstanden wurde", und "eine unbestechliche intellektuelle Brillanz".

Die große Bühne liegt ihm nicht. "Szymczyk, die Sphinx", hieß es Anfang März im Magazin der "Süddeutschen Zeitung", wirke "oft wie in Luft aufgelöst". Bei einem Termin mit Sponsoren habe er ausgesehen "wie Nick Cave bei einem Konzert der Leipziger Thomaner".

Auch vier Wochen bevor es losgeht, lässt er sich nicht gern in die Karten schauen. Klar ist aber: Viele "Ah, das kenne ich!"-Momente dürfte es für die Besucher nicht geben. Warum sollte, fragt Szymczyk, eine Documenta zeigen, was ohnehin alle kennen? Darum gehe es doch gerade in der Kunst, hatte in seinem ersten großen Interview der "Zeit" gesagt: "dass wir uns dem Unverständlichen aussetzen".

Das ist weniger Arroganz denn seinem Kunstverständnis geschuldet. "Eine Ausstellung sollte eine Erfahrung sein. Eine Erfahrung ohne große vorprogrammierte Erwartungen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Den vermutlich rund eine Million Besuchern in Kassel und Athen verspricht er "einige wirklich großartige, geistig anregende Kunstwerke sehen, die zum ersten Mal gezeigt werden".