Fast schon obszön: Swell adelte in New York das Surfbrett zum Fetisch

Eine mächtige Pazifikwelle ist in diesem Sommer an der Ostküste der Vereinigten Staaten angerollt: Unter dem Titel „Swell – Art 1950–2010“ stellten die New Yorker Galerien Friedrich Petzel, Metro Pictures und Nyehaus 70 größtenteils aus Los Angeles stammende Künstler aus, deren Arbeiten von der Surferkultur ihrer legendären Strände inspiriert sind.
Seit auf Hawaii stationierte GIs nach dem Zweiten Weltkrieg das Wellenreiten – den einstigen Sport der Könige – nach Kalifornien brachten, hat der manchmal lebensgefährliche Balanceakt Maler, Fotografen und Bildhauer immer wieder verführt: In der Mischung aus Eleganz, Risiko und Spiel sahen sie eine seelenverwandte Praxis. Manche wagten sich selbst in die Brandung, wie Peter Alexander und Ken Price, andere fühlten sich vom Geist der counterculture, der sich die freiheitsliebenden Surfer zugehörig fühlten, angesprochen. Vom Aussteigertum beflügelt, setzte sich beispielsweise Ashley Bickerton in den 70er-Jahren nach Bali ab: Sein Porträt eines Surfers ist von Treibgut umrandet, und aus einem Haus lässt er einen weißen Korallenbaum wachsen.
Die stromlinienförmige Raffinesse des Surfbretts, das Bildfläche, Skulptur und Instrument in einem ist, übte auf etliche LA-Künstler ab den 50er-Jahren die gleiche Faszination aus wie die gleißenden Karosserien ihrer Autometropole. Metro Pictures zeigte eine ganze Galerie liebevoll dekorierter longboards und shortboards von Künstlern wie Raymond Pettibon, Billy Al Bengston und Charles Arnoldi. John McCracken verfiel den superglatten Oberflächen aus Fiberglas, an denen das Auge ebenso abgleitet wie das Wasser, und ahmte ihren industriellen Hochglanz mit gleicher Perfektion nach – in mühevoller Handarbeit. Auch Craig Kauffman, DeWain Valentine und Helen Pashgian fetischisierten in den späten 60er-Jahren mit ihren Skulpturen aus Polyester, Acryl und Plexiglas die makellose Kunststoffhaut mit ihrer geradezu obszönen Taktilität.
Die strengen Erfinder des Minimalismus in New York blickten von jeher mit einer gewissen Verachtung auf die reibungslose und unwiderstehliche Kunst ihrer Kollegen im fernen Westen herab. Doch „Swell“ bewies, dass Glamour und Purismus einander keineswegs ausschließen müssen.