Akademie der Künste, Berlin

Freundschaftsdienst

Die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ soll ausdrücklich keine Retrospektive sein. Sie zeigt Seiten des Künstlers, die für ihn einen hohen Stellenwert einnahmen, die er aber häufig nicht direkt offenbarte. Der politische Polke steht hier, in der Berliner Akademie der Künste, im Mittelpunkt. Akademiedirektor Klaus Staeck –  Inbegriff des engagierten Künstlers –  hat es sich nicht nehmen lassen, diese Ausstellung persönlich zu kuratieren. Fast schon intime Belege der Verbindung Staeck-Polke machen daraus eine "Bilanz einer Freundschaft", wie die Schau im Untertitel heißt. Auf den ersten Blick ist diese Freundschaft einseitig: wenn Staeck etwa unzählige Faxe an Polke sendet und dieser vielleicht vier davon beantwortet. Schließlich aber tiefgründig und ehrlich, wenn Polke seinen Kollegen mit feierlichen Treffen oder persönlichen Kommentaren auf Arbeiten überrascht.

Klaus Staeck hat für diese Ausstellung sein privates Archiv geöffnet. Drei der vier Säle zeigen Blätter für die „Edition Staeck“. Meist haben die einen politischen Hintergrund und bleiben dabei doch immer ironisch wie die Künstlerzeitung „Day by Day… They Take Some Brain Away“, die anlässlich der Biennale von São Paulo 1975 entstanden ist. Collagenartig treffen darin banale, kuriose und zeitgeschichtliche Bilder aufeinander –  so assoziativ zusammengewürfelt entstanden 18 Bögen voll mit politischen Anspielungen.

Von dem Kontext der Künstlerfreundschaft losgelöst, aber trotzdem dem politischen Topos der Schau verhaftet, steht die Werkgruppe „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“, die 2009 auch in Hamburg zu sehen war –  von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritiker-Verbandes (AICA) zur Ausstellung des Jahres gewählt. Der Essay „Von der Unaufhaltsamkeit des Kleinbürgertums“ von Hans Magnus Enzensberger war 1976 für diesen Zyklus namensgebend. Er prophezeite der Welt, von ätzenden Annehmlichkeiten wie „Freizeithemden“ überrollt zu werden.

Bei Polkes Arbeit wirkt die Kritik am Kleinbürger verwickelter, verschlüsselter und versteckter, hinter Zitaten aus französischen Underground-Comics oder Dokumentarfotografien etwa. Verweise wurden übermalt, erweitert, verformt oder sind teilweise nicht mal sichtbar, weil der Maler phosphoreszierende Farbe benutzte. Schade nur, dass die Kuratoren den Besuchern den Spaß an der Dechiffrierung nehmen, indem sie in einer Vitrine das Ausgangsmaterial offenlegen. Klaus Staeck präsentiert alles in allem aber mit dieser sehenswerten Hommage seinen persönlichen Polke, und der ist politisch, expressiv, ironisch und vor allem witzig.

Akademie der Künste, Berlin, bis 13.03.2011