Palais de Tokyo

Frische Hölle mit alten Hasen

„Pling“. In allzu vielen Gruppenausstellungen stoßen die Arbeiten trotz eines eng vorgegebenen thematischen Rahmens nur mit einem spitzen, schnell verklingenden Ton aneinander.  Bei „Fresh Hell“ ist der Motivschirm nur lose aufgespannt, zwischen den Exponaten aber ergeben sich viele sonore „Plopps“, die lange nachhallen.

Das Palais de Tokyo hat nach Ugo Rondinone und Jeremy Deller zum dritten Mal einem Künstler eine „Carte Blanche“ eingeräumt. Und der britische, in New York lebende Künstler Adam McEwan hat die Karte mit einer so klugen wie atmosphärisch starken Schau bestmöglich ausgespielt.

Es beginnt mit einem grandiosen Entree: Drei mittelalterliche Skulpturen stehen vor einer jener Styroporwände von Rudolf Stingel, deren silbrige Oberfläche nach und nach von den Einschreibungen der Betrachter perforiert wird. So treffen die Relikte von zwei Arten des Vandalismus  aufeinander: die Köpfe dreier israelitischer Könige, die in den Wirren der französischen Revolution von Notre-Dame abgeschlagen worden waren, und die Spuren der von Stingel provozierten Attacken, die sein Werk in einem fortschreitenden Zerstörungsprozess erst konstituieren.

Der Titel der Schau spielt an auf den Satz „What fresh hell is this?“, mit dem sich die US-Schriftstellerin Dorothy Parker am Telefon gemeldet haben soll. Unter diesem Motto umreißt McEwen die Stimmung einer ästhetischen Leichtigkeit, die über Zerstörung, Abgründen und Scheitern schwebt – und er tut das mit gut dreißig Arbeiten etwa von Übervätern wie Martin Kippenberger oder Bas Jan Ader und jungen Wilden wie Hanna und Klara Liden oder Matias Faldbakken.

Gegen Ende der Schau treibt in einem Video von Roman Signer ein Spielzeughelikopter schwimmend auf einen Wasserfall zu. Er hebt erst ab, als das Floß unter ihm schon in den Abgrund wegtrudelt. Und direkt am Ausgang antwortet eine Tapete von Agathe Snow auf Stingels Wand am Eingang. Snows Tapete ist überzogen von unendlich vielen „Yes“-Schriftzügen. Wirken die Attacken bei Stingel zumindest momenthaft konstruktiv, so lässt Snow die anarchische Attitüde des Graffiti durchaus komisch in der Ja-Sagerei einer rosaroten Innenraumdeko versacken.

Palais de Tokyo, Paris, bis 16. Januar 2011