Eines morgens im letzten Sommer sah ich aus dem Erdgeschossfenster und erschrak über den Mann davor. Er hatte Basilikum für mich, lächelte freundlich wenngleich irr, außerdem war er viel zu warm angezogen. Es handelte sich dann aber doch nur um ein Foto auf einem parkenden Lieferwagen. Seither sehe ich sie überall. Was sollen sie, diese Männer auf Autos? Als fahrende Täuschungen blicken sie in die Fenster anderer Autos und Bahnen, als parkende Plakatwand senden sie ihre Botschaften in den öffentlichen Raum hinein. Aber welche?
Währenddessen arbeitete der Fotokünstler Martin Fengel schon längst an seiner Serie "Männer auf Autos". So wird diese Sparte der Porträtfotografie in der Kunstgeschichte in Zukunft auch heißen. Fengel konzentriert sich ganz auf die Figuren und verzichtet auf Firmennamen oder Werbeslogans. Wer sind diese Männer, was denken sie, was haben sie gemeinsam? Fast ausnahmslos: Bartwuchs, vom gepflegten Drei-Tage-Bart über Schnäuzer bis zur ungründlichen Rasur. Ihre Oberteile sind aus Fleece und haben Reißverschluss. Sie zeigen Zähne beim Lächeln, sie machen Zeichen mit ihren Händen: Daumen hoch, Bizeps-Pose, Schwitzkasten. Manche von ihnen sitzen wahrscheinlich persönlich am Steuer des jeweiligen Autos, andere sind Fotomodels, die weder Kabelanschluss verlegen noch wissen, wie man Dächer deckt.
Die Lieferwagen-Werbewelt ist eine Männerwelt aus einer Zeit, die vielleicht nicht mehr lange anhält. Für die Autos nicht, für die Werbung nicht, eventuell auch nicht für die Männer. So wie Martin Fengel sie gesammelt hat, sind sie in ihrer arglosen Selbstgewissheit komisch und auch etwas peinlich.
Alles hat drei Seiten
Martin Fengel zählt zu den wenigen guten Künstlern, die wissen, dass alles drei Seiten hat, eine gute, eine schlechte, und eine komische - und dass es letztere ist, von der aus man am meisten über die Welt versteht und am besten mit ihr zurechtkommt. Macht er sich über die Männer lustig? Nein, er ist ja selbst einer.
Diese Typen auf Autos haben Dellen und Fugen, sie sind deformiert, wurden über Türspalte hinweg tapeziert oder müssen in die Rundung der Kofferraumklappe passen. Sie verlieren just in dem Moment, in dem sie sich von ihrer allerbesten Seite zeigen, zugleich komplett die Kontrolle, und zwar für immer.
Ich bin darüber nicht schadenfroh und weiß es auch nicht besser. Aber wenn man auf diese Männer auf Autos so schaut, wie man beispielsweise Memes ansieht – also mit der Intention des "lachen über", also eigentlich auslachen – dann ist das ein zu enger, distanzierter, urteilender Blick auf die komische Seite der Welt. Manchmal reicht es ja schon, etwas festzustellen, und es dann in eine einigermaßen präzise Form zu bringen. So macht es Martin Fengel.