Medienschau

"Heute bin ich froh, kein Galerist mehr zu sein"

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Die ukrainische Moderne muss entdeckt werden, Klaus Biesenbach will alles im Fluss halten, und Ex-Galerist Jörg Johnen disst die Berliner Museen: Das ist unsere Presseschau am Montag


Museumspolitik

In Proseminaren der 90er-Jahre war es irgendwann schick, alles als "performativen Akt" zu beschreiben: Sprache und Gender, die Stadt und die Kultur. Das Interview, das Klaus Biesenbach, Leiter der Neuen Nationalgalerie, jetzt dem "Tagesspiegel" zur Berlin Art Week gegeben hat, sollte man vielleicht auch als performativen Akt verbuchen: fest und konkret ist darin nichts, aber alles ist schön im Fluss. Das passt natürlich zu Berlin (der Stadt im ewigen Aufbruch), zu Biesenbachs Vita (seine kuratorischen Lehrjahre absolvierte er in den wilden 90ern) und seiner Vorliebe für Performancekunst, und so blickt er ganz performativ auch auf die Baustellen vor seiner Tür, sprich: Neubau und Konzeption des umstrittenen Museums der Moderne: "Wenn man erst anfängt, wenn alles zu hundert Prozent durchkonzipiert ist, gäbe es die KW oder die Berlin Biennale nicht. Und auch nicht das Performance- und Medien-Department am MoMA, das eines der starken Kraftfelder dort geworden ist", sagt Biesenbach über seine Pläne für das neue Haus. "Es ist wichtig, dass das Berlin Modern in den Köpfen der Leute bereits existiert. Deshalb mache ich die Baustellenführungen. Die Menschen werden erinnern, dass sie dort mal gewesen sind, als es 16 Meter tief runterging." Während er die neuen Bäume am Kulturforum als "künstlerischen Impuls" sieht, versteht Biesenbach auch ein "Gebäude als etwas, das sich ständig entwickelt und bewegt". "Als ich in Berlin ankam, wurde mir gesagt, für diesen Bau sei alles schon entschieden. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und steter Tropfen kann auch die allerschönsten Felsformationen hervorbringen. Das Gebäude wird sich jeden Tag entwickeln. So sehe ich einfach die Welt. Ich hoffe, das ist nicht zu anstrengend für die Architekten und Planer."

 

Interview

Es geht ganz schön hin und her im Gespräch, das Daniela Kloock für die "Berliner Zeitung" mit dem Ex-Galeristen Jörg Johnen geführt hat, aber lesenswert ist die Unterhaltung allemal: Johnen, der 2015 seine Berliner Galerie schloss, spricht über die Schenkung seiner Sammlung an das Münchner Lenbachhaus, die sich die Berliner Institutionen offenbar wieder einmal durch die Lappen haben geben lassen. "Die haben nicht reagiert", erklärt Johnen auf die Frage, ob er nicht auch Berliner Museen für die Schenkung in Betracht gezogen habe. "Also null! Nicht mal gesagt, ich schau mal vorbei, null. Erst nachdem es den Presserummel in München gegeben hat, wurde ich neulich in Berlin angesprochen." Außerdem geht es um die immer stärkere Konzentration des Kunstmarktes ("Heute bin ich froh, kein Galerist mehr zu sein. Du brauchst sehr viele finanzielle Ressourcen, musst auf allen großen Messen präsent sein. Das schaffen nur ganz wenige. Du kannst klein anfangen, klar, und dann aufbauen, aber plötzlich sind alle deine guten Künstler weg."), die Renaissance der Malerei und den Standort Berlin. "Berlin ist extrem im Umbruch. Die experimentelle, wilde Zeit ist vorbei. Und die Luxus-Seite ist nicht da und wird auch nicht kommen. Weil man das hier nicht will. Berlin ist irgendwie zwischen den Stühlen. Weder arm und sexy noch luxuriös. Das große Geld geht sowieso nach Asien."

 

Ausstellung

In der westlichen Kunst- und Museumsgeschichte war die ukrainische Moderne lange ein blinder Fleck – was die Ausstellung "Hier und Jetzt: Ukrainische Moderne, 1900 –1930" im Museum Ludwig in Köln ändern möchte. Die 50 Bilder der Ausstellung, die aus dem Nationalen Kunstmuseum der Ukraine und dem Kiewer Museum für Theater-, Musik- und Filmkunst stammen, wurden im November 2022 aus Kiew gebracht, gerade als die Stadt stark beschossen wurde. "Die Idee, Kunst aus der Ukraine zu zeigen, war eine spontane Reaktion auf den russischen Angriff", schreibt Katja Petrowskaja in der "FAZ". "Dabei ging es nicht nur um ein Zeichen der Solidarität und der Unterstützung, sondern auch um die Notwendigkeit, die Werke aus Kiew sicherzustellen und sie dem Publikum gerade in dem Moment zu zeigen, in dem die russische Führung die Existenz der Ukraine infrage stellt und einen Vernichtungsfeldzug gegen das Land führt." Vor allem aber schwärmt Petrowskaja von der "Vielfalt, Farbigkeit und Qualität" der Werke, von denen viele erstmals außerhalb der Ukraine gezeigt würden. "Die Ausstellung ist eine Skizze der ukra­inischen Moderne: Jede kleine Sektion wirkt wie ein Antrag für eine selbständige Ausstellung. Kaum bekannt ist auch der jüdische Kulturbund, die Kulturlige, die hier mit Bildern von El Lissitzky, Marko Epshtein und Issachar Ber Ryback vertreten ist. Zur Kulturlige gehörten neben El Lissitzky auch Marc Chagall, Abram Manewitsch, vor allem aber auf Jiddisch schreibende Schriftsteller."

 

Im März 1965 tourten Louis Armstrong und seine sechsköpfigen All Stars durch die DDR – es war das erste und einzige Mal, dass der Jazz-Musiker dort auftrat, wo es bis zu Beginn seiner Konzertreihe auch keine einzige seiner Schallplatten zu kaufen gab.  An die historische Tournee erinnert jetzt eine Ausstellung im Potsdamer Kunsthaus Minsk, die Robert Miessner in der "Taz" bespricht. "Die Schau hat das Zeug, an Louis Armstrong bis jetzt wenig beleuchtete Facetten zu entdecken: Denn er kann unmöglich nur der ständig lachende Entertainer mit der goldenen Trompete und 'Hello Dolly!' im Gepäck gewesen sein, als der er auf einem Livevideo zu sehen ist", schreibt Miessner anspielungsreich über die von dem Musiker Jason Moran und der Minsk-Direktorin Paola Malavassi kuratierte Schau. Bei den damaligen Pressekonferenzen und ebenso bei den jetzt in Potsdam ausgestellten Kunstwerken jener Zeit standen politische Fragen – die Mauer war gerade gebaut; die Nazi-Diktatur kaum aufgearbeitet; in der USA grassierte der Rassismus – immer mit im Raum.