Louvre-Film

Mona Lisa – c’est moi

Mit "Francofonia" bringt Alexander Sokurow eine filmische Elegie über den Pariser Louvre in den Wettbewerb der Filmfestspiele in Venedig

Ob MoMA oder Martin-Gropius-Bau: als Filmlocations sind Museen beliebt. Dass ein ganzer Film um einen Kunsttempel kreist, geschieht kaum, nur ab und zu in der Doku-Sparte. "Das große Museum" (2014) – über das Kunsthistorische Museum Wien – war so ein seltener Fall. Alexander Sokurows filmische Elegie über den Pariser Louvre hat es jetzt sogar in den Wettbewerb der Filmfestspiele in Venedig geschafft.
 
Der russische Regisseur hatte 2011 am Lido mit seiner eigenwilligen "Faust"-Verfilmung den Goldenen Löwen gewonnen; ob für das neue Werk "Francofonia" ein Preis herausspringt, ist nach dem ersten Wettbewerbsdrittel kaum auszumachen. Die Gewinner der 72. Mostra werden am 13. September bekannt gegeben.

"Francofonia" sticht jedenfalls nicht nur als Essay aus einem Wettbewerb mit fast nur Spielfilmen heraus. Neben Abschnitten, in denen Sokurow – seine Stimme ist im Off zu hören – etwa über die Sammlung oder die Geschichte der Pariser Institution monologisiert, sind allerdings auch Spielszenen integriert.

Dabei rücken vor allem zwei Männer in den Vordergrund. Vor, beziehungsweise während der Besetzung von Paris durch Nazideutschland ab Juni 1940 setzten sich zwei grundverschiedene Persönlichkeiten für den Erhalt der Louvre-Sammlung auf französischem Boden ein: der Louvre-Direktor Jacques Jaujard und der Nazi-Offizier Graf Franziskus Wolff-Metternich. Ohne Letzteren zu glorifizieren, schildert Sokurow die Aktionen des für den "Kulturgutschutz" verantwortlichen Deutschen, der seine Aufgaben bewusst gegen die Interessen Rosenbergs, Görings und Hitlers auslegte.

Dass und wie es Jaujard und Wolff-Metternich gemeinsam gelang, dass die teilweise schon 1938 in ein Schloss an der Loire ausgelagerten Kunstwerke bis Kriegsende in den Außendepots verblieben – von den kunsthungrigen NS-Oberen unangetastet – ist eine wenig bekannte Geschichte. Sie wurde wohl auch deshalb bisher kaum erzählt, weil sie nicht zu gängigen Mustern der Geschichtsschreibung passt.

Um historische Differenzierung bemüht wirkt "Francofonia" auch in Hinsicht auf einen früheren Film des russischen Regisseurs: Der in einer einzigen Einstellung in der Sankt Petersburger Eremitage gedrehte "Russian Ark" (2002) war eigentlich nur aus technisch-ästhetischen Gründen bemerkenswert. Die Passage durch drei Jahrhunderte russischer Geschichte behandelte Historie wie eine Museumskollektion – sozusagen hochglanzpoliert und in die Vitrine gestellt.
 
Der deutsch-französischen Geschichte kann Sokurow offensichtlich kritischer begegnen. Einerseits würdigt er das Pariser Museum als Ort einer gewissen künstlerischen Autonomie, als Ort, an dem immer wieder Humanität und Wirklichkeit aufscheint. Andererseits zeigt er den Zugriff der Herrschenden auf die Kunst. So lässt Sokurow Napoleon auftreten, der sich nicht nur in seinen Porträts und der berühmten "Kaiserkrönung" (1805-07) von Jacques-Louis David wiederfindet, sondern in seiner Selbstverliebtheit sogar in da Vincis "Gioconda" ("Mona Lisa" genannt). "C’est moi", kommentiert der Feldherr nahezu jedes Bildnis an den reich behängten Wänden des Louvre.