Anfeindungen gegen Dortmunder Museum

Ein Lehrstück im Anti-Wokeness-Kulturkampf

Das LWL-Museum Dortmund hat einmal in der Woche einen Safer Space für People of Color eingerichtet - die AfD macht daraus einen Diskriminierungsskandal gegen Weiße. Wie können Institutionen mit solch politischer Instrumentalisierung umgehen?

Was für eine Clickbait-Überschrift: "Dortmunder Museum lässt keine Weißen rein!" Auch vermeintlich seriöse Medien wie "Focus" oder "NZZ" formulieren gerade solche Schlagzeilen und können sich der allgemeinen Aufmerksamkeit sicher sein. Sie übernehmen damit Formulierungen, die zunächst im Umfeld der AfD und anderer rechter Organe auftauchten. Die AfD-Fraktion NRW gestaltete gleich ein Plakat: "Museum führt Apartheit an Samstagen ein. Keine Weißen erlaubt!". Und der AfD-Politiker Sven Tritschler schreibt in den sozialen Medien: "2023 wird in Deutschland wieder nach Hautfarbe separiert. Wenn wir anfangen, dafür Ausreden zu akzeptieren, ist das Grundgesetz erledigt."

Was war passiert? Im Dortmunder LWL-Museum Zeche Zollern läuft seit Mitte März diesen Jahres die Ausstellung "Das ist kolonial" – eine Werkstatt, in der mit Hilfe von vielen interaktiven Elementen den Besucherinnen und Besuchern nahegebracht werden soll, was das Ruhrgebiet mit Kolonialismus zu tun hat und wie er bis in die Gegenwart hineinreicht.

Dieser Bereich soll samstags von 10 bis 14 Uhr für "Black, Indigenous and People of Color“ (BIPoC) reserviert sein", so wünscht es sich das Museum – von 14 bis 18 Uhr dürfen auch samstags wieder alle hinein. Auf der Webseite wird die Idee erklärt: "Es soll ein Safer Space geschaffen werden, in denen in dem sich Menschen, die von Rassismus betroffen sind, vor weiteren (auch unbewussten) Diskriminierungen schützen können. Er ist ein Angebot für BIPoC und Schwarze Menschen, um sich zurückziehen und offen austauschen zu können."

Was heißt das für kulturelle Institutionen, die Safer Spaces einrichten wollen?

Monatelang nahm niemand Anstoß an diesem Safer Space, der den Workshopraum für einen halben Tag in der Woche besetzen darf. Bis rechte Kreise die Kampagne gegen das Museum lostraten, die mittlerweile so aggressiv geworden ist, dass der Staatsschutz ermittelt.

Erstaunlich, dass hier offenbar Menschen so gern ins Museum möchten, dass sie sich dermaßen echauffieren. Aber natürlich wollten die geifernden Kritiker nicht wirklich just am Samstag um 10 Uhr die Ausstellung besuchen – wenn man den Kommentarspalten glaubt, wissen sie ja eh schon, dass der deutsche Kolonialismus nichts Böses angerichtet hat und die Schau komplett überflüssig ist.

Was aber heißt das für kulturelle Institutionen, die Safer Spaces einrichten wollen? Einerseits ist die Praxis bislang eher in aktivistischen und subkulturellen Kreisen verbreitet und in staatlichen Institutionen vielleicht eher ungewohnt. Andererseits ist die Einrichtung von Frauenparkplätzen, ein vergleichbares Prinzip, ja nach einigen Jahrzehnten ihrer Existenz mittlerweile auch einer breiteren Bevölkerungsgruppe vermittelbar.

Museum im Fokus von rechten Aggressoren

Die Idee, Treffpunkte für nicht-weiße Menschen in Museen einzurichten, ist an sich nicht abwegig. Museen werden ständig für bestimmte Gruppen bevorzugt genutzt, seien es Führungen mit Schulklassen oder VIP-Veranstaltungen.

Wer die Räume temporär zu einem besonders angenehmen, produktiv nutzbaren Raum für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen macht, kommt damit vielleicht dem Ziel näher, ein vielfältigeres Publikum anzusprechen und damit auch seinen Auftrag, für die gesamte Gesellschaft zur Verfügung zu stehen, besser zu erfüllen. Allerdings führte in diesem Fall der Versuch, einen möglichst sicheren Ort einzurichten, letztlich zu mehr Gefährdung und Unsicherheit – denn jetzt ist das Museum in den Fokus von rechten Aggressoren gerückt.

Es ist 20 Jahre her, dass der spanische Künstler Santiago Sierra auf der Venedig-Biennale den Eingang des spanischen Pavillons zumauern ließ. Die uniformierten Sicherheitsleute am Hintereingang ließen nur Menschen mit spanischem Pass hinein. Alle anderen mussten draußen bleiben.

Am besten, die Affäre wird Teil der Ausstellung

Es war faszinierend zu sehen, wie die Menschen sich aufregten. Für Leute, die es gewohnt sind, überall hineinzukommen, ist es ein Schock, plötzlich vor verschlossener Tür zu stehen. Dass genau dieses Gefühl der Ausgeschlossenheit der Inhalt des Werkes war, in einer Zeit, in der Europa seine Grenzen verbarrikadierte und sich zur Festung ausbaute, sickerte nur langsam durch.

Einen Safer Space im Museum kurzerhand zum Kunstwerk zu deklarieren, ist allerdings auch keine Lösung. Denn die Polemik, die sich daraus ableiten ließe, wäre die gleiche: Weiße dürfen nicht hinein. Aber vielleicht ist selbst diese Erfahrung, mit so einer harmlosen Aktion in den Anti-Wokeness-Kulturkampf zu geraten, noch lehrreich für eine Kulturinstitution. Am besten, die Affäre wird gleich Teil der Ausstellung – als perfektes Anschauungsmaterial für die Logik des Shitstorms und politische Instrumentalisierung.