Sinnsuche im Bildersturm

Leere, Weite, Offenheit und das kleine Fotobild an der Wand wie eine Dunkelstelle im vielen Weiß. Man muss nahe herantreten, um zu sehen, was es zu sehen gibt. Christopher Williams’ Kunstauftritte kommen ohne die triumphalistische Gebärde aus. Sie erscheinen so bescheiden, so sachlich, wie wenn einer bei einem leidenschaftlichen Disput säße und eine Weile nur zuhörte und dann mit leiser Stimme eine Bemerkung einstreute, die alle Leidenschaft sogleich abkühlt.

Die Baden-Badener Kunsthalle mit ihrer hierarchischen Raumabfolge ließ der Fotokünstler, der in diesem Jahr die Becher-Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie übernommen hat, als White Cube einrichten. Auch der große Saal, unterteilt durch eine massive Stellwand, büßte an repräsentativer Noblesse ein. Mehr als drei Fototafeln hängen in keinem Kabinett. Man spürt die Unbedingtheit, mit der Williams Bild, Raum und Bühne in eine Anordnung zwingt, um das vernutzte Medium Fotografie wieder für wahrnehmungskritische Experimente zu öffnen.

Im Gegensatz zum ökologischen Ernst, mit dem die Bechers die dokumentierende Fotografie rehabilitiert haben, im Gegensatz auch zu den emphatischen Inszenierungen eines Thomas Struth, setzt Williams auf den gänzlich unspektakulären Gebrauch. Die Banalität seiner Bildgegenstände ist ernüchternd. Es ist gibt keine Stelle in der Schau, wo man staunend stehen bliebe. Aufnahmen einer alten Hasselblad mit aufgeklapptem Lichtschachtsucher; ein 60er-Jahre-Model, das aus der Duschkabine tritt; ein Autoreifen; rote, schwarze Socken (Marke Falke) an weiblichen Füßen; ein fabrikneues, also uraltes Vélosolex-Mofa; Mustafa Kinte, schwarzer Fotograf aus Gambia. Man wird nicht sagen können, dass einem hier Fotografie noch einmal die Welt erklärt. Aber man entdeckt doch die eingebauten Störungen: die modelwidrige Körpernormalität, das viel zu große weiße Hemd, das Kinte trägt, die Aufschrift am Hasselblad-Objektiv, die den russischen Nachbau verrät. Die Dinge sind komplizierter, und das Bild an der Wand ist wie die Eisbergspitze, die aus dem Wasser ragt. Geschichten, ganze politische Diskurse strahlen in die Weite des White Cube.

Wie diese Fotografien und ihre Abstimmung im Raum dazu verführen, nachzufragen, mehr wissen zu wollen – das hat durchaus Erlebnischarakter. Und wenn man erfährt, dass Christopher Williams nie selbst hinter der Kamera steht, dass er Regie führt, die Konzepte entwirft: Dann fühlt man sich in dieser Ausstellung gleichsam zugehörig zum Team, das hier mit archäologischer Geduld die Sinnschichten aus der Bilderschwemme gräbt, in der die Epoche der analogen Fotografie versunken ist.