Gruppenschau in Karlsruhe

Wenn Bilder sprechen könnten

Die Schau "Unter freiem Himmel" in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe kombiniert Landschaftsmalerei mit Literatur

Worüber würden Caspar David Friedrich und Cézanne mit dem 1967 geborenen Daniel Roth reden, wenn sie sich beim Malen in der Landschaft träfen? Der Kunsthisto­riker Alexander Eiling hat es sich aus­ge­dacht – und jetzt ist die Szene des imaginierten Gipfeltreffens in der Ausstellung "Unter freiem Himmel" zu hören, als akus­tische Begleitung einer Zeichnung von Daniel Roth. Hören und sehen gleichzeitig, das ist das Prinzip der Schau in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Sie versammelt 53 Landschaftsbilder aus sechs Jahrhunderten und liefert dem Besucher per Audioguide zu jedem Bild literarische Schnipsel hinzu, von Romanschreibern wie Alex Capus oder Arno Geiger, von Lyrikerinnen wie Friede­rike Mayröcker oder Marion Posch­mann, aber auch von Kunsthistori­kern und anderen Experten.

Rund 500 Werke aus der Sammlung seien in Frage gekommen, erzählt Kura­to­rin Kirsten Voigt, eine Vorauswahl von 150 habe sie getroffen, die letzte Entscheidung liege bei den Autoren und Autorinnen, die sich "ihr" Bild aus­­suchen durften. Das Publikum sei dankbar, Gemälde einmal aus subjektiver Perspektive erleben zu dürfen, statt mit Metadiskursen konfrontiert zu werden, sagt Voigt. Bereits 2013 hat sie in der Kunsthalle Karlsruhe erfolgreich eine Porträtausstellung nach diesem Muster realisiert. Das Katalogbuch war schnell vergriffen. Unter den Autoren des Landschaftsprojekts sind ein Evolutions­biologe, ein Landschaftsgärtner und sogar eine Landschaftsethikerin, die von Berufs wegen einen anderen Blick auf die Natur haben. Die Kinderbuch-Autorin Cornelia Funke ist auch eingeladen, weil sie seit 2012 Botschafterin der UN-Dekade Biologische Vielfalt ist. Sie stellt den aus Norwegen stammenden Romantiker Johan Christian Clausen Dahl vor, sinniert über die Bedeutung des Mondscheins gestern und heute.

Kathrin Schmidt hingegen hat sich von Carl Friedrich Lessings Historien­schinken "Das Bodetal im Harz" zu der mitreißenden zeitgenössischen Kurz­geschichte "Kuhlmanns Visionen" ins­pirieren lassen. Die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2009 verwandelt die im Wald lagernden "Harzschützen" in Akteure einer Rollenspieltruppe, die historische Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg nachspielen. Kuhlmann schläft noch, hat zu viel getrunken. In seinem Hirn kreisen Erinnerungen an eine Zeit, als Teile des Harzes noch Sperrgebiet waren und er – damals in der DDR – mit einem Freund während einer Wander­tour von der Staatssicherheit aufgegriffen wurde. Manche Geschichten wie diese führen aus den Bildern he­raus in unsere Welt heute, andere, wie die über Friedrich, Cézanne und Roth, tiefer hinein in die Kunst.